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Schnappschuss

Schnappschuss

Titel: Schnappschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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– bis wieder alles in die Luft flog.
    Ellen hasste sich dafür.
    Aber wirft man denn einfach so zwanzig Jahre Ehe fort, ohne es nicht wenigstens zu versuchen? Sie wusste, unter welchem Druck Alan stand. Der Mann, den sie geheiratet hatte – groß, direkt, kompetent und fröhlich –, war nach und nach durch allerlei Enttäuschungen mürbe geworden. Er hatte das Gefühl, gegenüber den Kollegen und seiner Frau den Anschluss verpasst zu haben, und er verfügte über keinerlei Strategien, sich mit dieser Situation auseinander zu setzen oder über sie hinauszuwachsen.
    Alan war ein Einzelkind gewesen, das war Teil des Problems. Seine Eltern hatten ihn verwöhnt, und er hatte ihre bescheidenen Erwartungen niemals enttäuscht, hatte in jüngeren Jahren nie größere Rückschläge erlitten oder Herausforderungen zu meistern gehabt und war problemlos durch Schule und Polizeiakademie gerauscht. Für ihn war das Leben einfach, es war vorhersagbar und nicht allzu ernst zu nehmen.
    Doch dann hatten die üblichen Allerweltsverantwortungen aus Arbeit, Ehe, Vaterschaft und Hypotheken eingesetzt. Die Welt war nicht länger klein, sondern groß und voller ambitionierter, talentierter und hart arbeitender Männer und Frauen. Alan war darauf schlecht vorbereitet und selbst nur mäßig talentiert. Er trank nicht, nahm keine Drogen, hopste auch nicht durch die Betten, um sich als was Besseres zu fühlen. Stattdessen hegte er bissige Verdächtigungen und Kümmernisse, die er nur schlecht verbergen konnte. Er schäumte vor Wut, runzelte ständig die Stirn. Er hasste die Welt und, wie Ellen vermutete, er hasste sich selbst.
    Während des Kochens warf sie einen kurzen Blick auf das vergilbende Foto von ihm, das am Kühlschrank hing. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war Alan zweiundzwanzig gewesen, ein gut aussehender Mann, der übers ganze Gesicht strahlte, als er die Polizeiakademie bestanden hatte. Der Gedanke schmerzte sie, dass von einem so fröhlichen und unbesiegbaren Mann nur Sauertöpfigkeit und Vergeblichkeit übrig blieb.
    Also bereitete Ellen ihm eine Lasagne zu, damit er sich besser fühlte, um den Vormittag wieder gutzumachen, um die Welt wieder zurechtzurücken.
    Und sie hasste sich dafür. Früher mal, da hatte sie aus Liebe gekocht. Jetzt kochte sie, weil die Liebe verschwunden war. Aber brachte denn Lasagne die Liebe wieder zurück? Sie dachte an Janine McQuarrie und fragte sich, welche Motivation sie gehabt hatte, eine lieblose Ehe zu ertragen.
     
    Ellen und Alan aßen früh, eine Gewohnheit aus der Zeit, als sie noch ein Kind im Hause hatten.
    »Schmeckts?«
    »Lecker«, antwortete Alan und mampfte weiter. Er aß mehr als früher, fiel ihr auf, und er trainierte weniger. Vielleicht ist er deprimiert, dachte sie, aber sie wusste nicht, wie sie ihm gegenüber dieses Thema anschneiden sollte.
    Alan war durch das Essen etwas milder gestimmt, also berichtete sie ihm von ihrem Tag: von den Tatumständen, den unerfreulichen Charaktereigenschaften der Hauptfiguren, dem anonymen Anrufer. »Hal glaubt –«
    Alan fuhr ihr über den Mund. »Hal glaubt, Hal glaubt. Ständig erzählst du mir, was dein Lover glaubt.«
    Alans Verstand schwirrte nur so von versauerten Vorstellungen und er schien schon fast zu glauben, dass sie Challis attraktiv fand oder gar schon mit ihm geschlafen hatte. Ellen hatte urplötzlich die Nase voll und schnappte: »Mach nur weiter so, Alan, dann werden deine Wünsche vielleicht wahr.«
    Er wurde rot, machte ein griesgrämiges Gesicht und schaute ohnmächtig weg. Dann sah er sie wieder an: »Willst du wissen, wie mein Tag war?«
    »Erzähl«, sagte sie mit flacher Stimme.
    »Während du und dein Lover auf der Peninsula herumstreicht und ihr euch unter die Reichen und Mächtigen mischt, habe ich Bremsspuren vermessen und Glas- und Farbsplitter an Unfallorten aufgelesen. Ich bin in Blut und Motoröl herumgewatet und hab mir die Hände schmutzig gemacht. Herzlich willkommen in der Realität, Ellen.«
    Das war noch so eine alte Leier von Alan, das Leben als Wettkampf. Ellen reagierte nicht darauf, sondern räumte die Spülmaschine ein und setzte sich dann vor den Fernseher. Sie kam sich ganz klein und einsam vor. Alan setzte sich zu ihr. Sie ging sofort wieder in die Küche und rief Larrayne an, die ganz abgelenkt wirkte und ungesprächig war. Die Unterhaltung schleppte sich dahin, dann tauchte Alan auf und klopfte auf seine Armbanduhr, um ihr zu bedeuten, dass der Anruf langsam zu teuer wurde. »Ich muss wieder

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