Schneckle im Elchtest
drauf.« Er zuckte mit den Schultern: »Anscheinend soll es abhärten.«
Edith zeigte mir einen Vogel. »Ihr Spätzlesfresser habt doch alle einen an der Waffel«, erklärte sie, sauer darüber, dass sie jetzt auch noch um ihren Kalte-Dusche-Triumph gekommen war.
»Wie schön, dass ihr Nordlichter dagegen so wunderbar normal, freundlich und klug seid. Und, apropos Waffel ... Was gibt’s zum Frühstück?«, wollte ich wissen.
»Brot. Und jetzt raus.« Ediths Schlagfertigkeit hatte sich erschöpft.
Ich schnappte die Klamotten vom Vortag und tapste auf der Suche nach einem stillen Eckchen herum. Überall saßen oder wuselten schlecht gelaunte Menschen mit Blumendekorklamotten durcheinander.
Da drang eine erstaunlich freundliche Stimme an mein Ohr: »Guten Morgen, ich hoffe, Sie haben unter den Umständen einigermaßen gut geschlafen.«
Verdattert blickte ich auf. Das konnte doch nur ... »Guten Morgen, Herr Professor! Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schön es ist, Sie zu sehen«, strahlte ich.
»Äh, ja«, entgegnete er. Verschwörerisch beugte er sich zu mir: »Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich Sie heute Nacht geweckt habe. Doch ohne meine Pfeife wäre ich ein Fall für die Geschlossene.«
»Das kann ich gut verstehen. Ich bin gerade selber versucht, das Rauchen anzufangen. Vor allem, weil hier anscheinend überhaupt nichts Trinkbares zu bekommen ist. Oder haben Sie eine entsprechende Idee?«, fragte ich sehnsüchtig.
»Könnte sein«, raunte der zurück. »Aber wollen Sie sich nicht erst einmal ankleiden? Dann finden wir vielleicht Mittel und Wege ...«
Ich folgte seinem vielsagenden Blick und schaute an mir herunter. Ich trug ein enges, weißes T-Shirt mit Marilyn-Manson-Print. Dazu Shorts von Steve. Etwas wenig, um mit dem Herrn Professor einen Alkohol-Schlachtplan zu entwerfen. Ich grinste. Immerhin schien meine Sympathie auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Selten hatte ich mich mehr über die Gesellschaft eines offensichtlichen Alkoholikers gefreut.
»Sie haben nicht zufällig einen Vorschlag, wo ich mich umziehen könnte?«, fragte ich.
»Das können Sie gerne in unserem Zimmer erledigen. Im ersten Stock das dritte Zimmer auf der rechten Seite. Meine Frau ist spazieren gegangen, Sie sind also völlig ungestört«, antwortete er freundlich.
»Ihre Frau ist spazieren gegangen?«, echote ich und starrte ungläubig aus dem Fenster.
Es regnete nicht nur, es schüttete wie aus Eimern.
Er räusperte sich. »Ja, sie sagt, sie zieht Petrus’ schlechte Laune der hier drin herrschenden vor.«
Ich nickte verständnisvoll. »Die Arme. Wie lange bleiben Sie denn noch?«, fragte ich meinen Verbündeten.
Professor Kurt holte tief Luft: »Wir reisen gleich nach dem Geburtstag ab. Also noch acht Tage, zwei Stunden, fünf Minuten.« Er lächelte schief.
»So lange bleiben wir wohl auch noch hier«, seufzte ich. »Ich würde mich zwischendurch ja gerne absetzen und etwas mit, äh, mehr Privatsphäre suchen. Aber Steve werde ich wohl nicht dazu bewegen können, sich von hier wegzubewegen. Naja. Jetzt gehe ich mich erst einmal umziehen. Ach – Ihre Tochter? Kerschdin? Ich will sie nicht stören, falls sie noch schläft ...«
Der Prof winkte ab. »Die wandelt auf Astrid Lindgrens Spuren und hat sich in einem der halb verfallenen Schuppen hinter der Scheune da hinten niedergelassen.« Er winkte vage in die Richtung, in der der viel gepriesene See liegen musste, den ich in diesem Urlaub wohl nicht zu sehen bekommen würde – mir war der Aufenthalt hier schon nass genug.
»Fängt sie da nicht an zu schimmeln?«, fragte ich neugierig. »Ich meine, so ein halb verfallener Schuppen ist vielleicht ganz romantisch, solange es konstante und vor allem trockene fünfundzwanzig Grad hat. Aber bei dem Wetter ...«
»Kerstin kennt die Lokalitäten bereits länger und hat extra aus Deutschland eine wasserdichte Plane mitgebracht. Mit der hat sie das Dach abgedichtet. Für den Boden hat sie ein paar Isomatten mitgebracht. Außerdem zapft sie mit einem endlosen, gut getarnten Verlängerungskabel Ediths Stromanschluss für einen Heizlüfter an. Ich muss gestehen: Es ist auf diese Weise recht gemütlich geworden. So gemütlich, dass sie dort trocken, warm, ungestört und auf diese Weise höchst effektiv an ihrer Doktorarbeit schreiben kann.«
»Aha«, machte ich etwas überrascht. »Und worin macht Kerschdin ihren Doktor?«
»In Psychologie.«
»Aha.«
Jetzt war mir auch klar, warum sie ihre Eltern
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