Schneckle im Elchtest
hierherbegleitet hatte: In dieser Gesellschaft befand sie sich im Bekloppten-Forschungsparadies.
Ich nickte dem Prof zu, grinste und meinte: »Na dann, ich bin schon sehr gespannt darauf, mich länger mit ihr zu unterhalten. Erst mal vielen Dank, dass ich Ihr Zimmer benutzen darf. Bis später.«
Er lächelte und winkte mir nach, während ich die mit uraltem, scheußlichem Linoleum ausgelegten Stufen in den ersten Stock hochtappte.
Während seine Tochter im Glück schwelgte, litten der arme, sympathische Mensch und seine Frau Höllenqualen. Sicher hatten sie sich für ihren Sohn eine andere Frau und eine andere Familie vorgestellt, die nicht nur zu Forschungszwecken dienen konnten. Seine Enkelinnen, Britt und Anke, die ich bisher noch nicht gesehen hatte, schienen ja voll in die LabskausKerbe zu hauen – wenn sogar ihre eigene Großmutter sie am liebsten von hinten sah.
Ich schluckte. Dieses Schicksal stand mir auch bevor, wenn ich Steve heiratete. Der war von seiner Sippe ganz begeistert. Am Ende wollte er jeden Urlaub hier in diesem düsteren Schuppen verbringen. Das Einzige, was mir dann noch übrig blieb, war, in Kerschdins Baracke zu flüchten und meinen Phantasien freien Lauf zu lassen. Steve würde ich von dem auf ihm lastenden Fluch wachküssen und anschließend vom Frosch in einen Prinzen verwandeln. Dann konnte ich ihm mit meiner eigenen Familie den ganz normalen Wahnsinn vorführen, der in jeder Familie herrschen sollte. Immerhin hatte ich in Stuttgart einen klaren Heimvorteil und gleich so viel Familie, dass er gar nicht zum Nachdenken kommen würde. War er erst mal auf der »Tour de Ländle«, hätte er für eine Weile gar keine Zeit mehr, sich nach Hamburg, Frankfurt oder Schweden zu wünschen. Und nach einer Weile hätten wir sein verwirrtes Fischkopfhirn zurechtgebogen.
Den Kopf voll frohgemuter Pläne, wollte ich gerade in das Zimmer des Herrn Professors schlüpfen, da wurde hinter der Tür, an der ich gerade vorbeilief, eine Dusche abgestellt. Ich blieb stehen und wartete ein paar Minuten. Vielleicht hatte Fortuna doch noch etwas für mich parat.
Nach erstaunlich kurzer Zeit öffnete sich die Tür. »Sabine, mein Mädchen!«, schlug es mir bassig aus einer wohlriechenden, sehr femininen Dampfwolke entgegen.
Halb erwartete ich Ivan Rebroff im Tütü, bis zwischen den Nebelschwaden Hartmut auftauchte.
»Hast du gut geschlafen? Möchtest du vor dem Frühstück duschen? Das ist jetzt eine gute Zeit: Die ganzen Backfische und die meisten anderen Gäste schlafen noch. Es gibt also sogar noch etwas heißes Wasser.«
»Danke, Hartmut, danke«, grinste ich glücklich.
Ich hatte zwar bei Edith angegeben wie ein Truthahn in der Balz. Aber warmes Wasser war mir doch lieber, wenn ich nicht gerade im Mineralbad war.
Ich zwängte mich an dem strahlenden Alt-Piraten vorbei, riss kurz das Fenster auf, um seinen Dampf loszuwerden, und freute mich auf die Dusche. Diese bestand zwar nur aus einem popligen Plastikschlauch mit völlig verkalkter Minidüse, der Ablauf war ein Loch im flachen Boden mit einem verbogenen Gitterchen darüber. Aber es war doch eine wunderbare Option, den modrigen Mief dieser vergammelten Bruchbude abzuspülen, der einem hier in jeder Faser hockte.
Fröhlich vor mich hinpfeifend stieg ich also unter die Dusche. Meine Laune hob sich weiter, als ich sah, dass hier jemand sein Duschzeug hatte stehen lassen – ein edler Designerschaum samt dazugehörendem Shampoo. Stammheim schien über eine gut bestückte Parfümerie zu verfügen. Auf jeden Fall würde ich der Frau Professor heute Mittag eigens ein Blumensträußlein pflücken und mich dafür entschuldigen, dass ich mich an ihren Edelkörperpflegeprodukten bedient hatte. Wie im Übrigen schon vor mir Hartmut, der den Tag mit derselben Duftnote verbringen würde.
Bester Laune schmierte ich mich auch noch mit der vor der Dusche stehenden Körperlotion ein und stieg leider wieder in die alten Sachen von gestern. Frische Klamotten gab es erst, wenn Steve unser Gepäck aus dem Wagen geholt hatte. Edith hatte gestern noch keinen Plan gehabt, wo wir unsere Sachen unterbringen konnten. Deshalb hatten wir sie einfach im Auto gelassen.
Wie ein Vögelchen pfeifend zwitscherte ich die Treppe hinunter, auf der Suche nach dem netten Prof.
Unterwegs erwischte mich schon wieder Hartmut. Er räusperte sich und flüsterte mir dann zu: »Ich hätte eine Bitte: In der oberen Etage dürfen nur die engsten Familienangehörigen duschen. Das ist eine der
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