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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ruehle
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in die mit Plastikplanen regensicher gemachte, erstaunlich große Scheune gestolpert. In den letzten Tagen hatte man sie höchstens aus zwanzig Kilometern Entfernung gesehen. Ich war deshalb automatisch davon ausgegangen, dass der Schwede an sich scheuer als ein Elch war und sich nie und nimmer in die Nähe eines Ferienhauses getraut hätte. Zumindest nicht an dieses. Doch hier waren sie nun: echte Ureinwohner, die sehr zögerlich Weihrauch und Myrrhe überreichten und ansonsten stumm und geschockt in die lärmende, sich albern benehmende teutonische Menge blickten.
    Ich stieß Steve mit dem Ellbogen an. »Die Armen! Wer sind die denn?«
    »Die näheren Nachbarn«, erklärte er mir. »Das sind alles Kampfabstinenzler aus irgendwelchen kirchlichen Organisationen. Aber Edith und Udo ist sehr daran gelegen, sich mit ihnen auf guten Fuß zu stellen, schließlich wollen sie irgendwann ganz hierherziehen. Und auf dem Land kommt man ohne Kontakte nicht sehr weit.«
    »Die Armen«, erklärte ich erneut voller Mitleid.
    »Wieso? Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als irgendwann nach Schweden zu ziehen!«, entgegnete Steve verständnislos.
    »Ich meinte die Schweden«, seufzte ich.
    »Ha ha, dein Humor ist wirklich unsäglich«, maulte er und ließ mich stehen.
    Lange blieb ich nicht alleine. Ein blendend gelaunter Kurt mit schon reichlich geröteten Wangen und glänzenden Augen reichte mir kichernd ein Glas.
    »Bitteschön, wohl bekomm’s«, erklärte er und klirrte mit seinem Glas gegen das meine.
    »Was ist das denn?«, fragte ich misstrauisch.
    Verschwörerisch legte er einen Finger auf die Lippen: »Geheimrezept von
diesem
Schweden da hinten.« Er wies in die Ecke, in der ein wahrer Berg von einem Mann gerade donnernd lachte, während er Ediths Freundin Marianne in den Schwitzkasten nahm, die dauerkicherte wie sonst nur die Zwillinge.
    »Hups!«, erklärte ich versonnen. »Da rettet gerade jemand Marthas Ehe. Das wird Hartmut aber gar nicht recht sein.«
    »Tja, neues Spiel, neues Glück«, meinte Kurt lapidar. »Irgendwie kann ich nicht so recht glauben, dass der Vater deines Auserwählten heute zuhause isst. Das wäre so gar nicht seine Art. Pass bloß auf ...«
    Ich verdrehte die Augen. »Der soll nur kommen mit seinen Klebefingern. Mich juckt es sowieso die ganze Zeit in den Fäusten. Und in den Füßen. Gibt’s hier eigentlich irgendwann noch Musik? Die Stimmung lässt ja noch etwas zu wünschen übrig. Ich hab noch ein paar sehr nette CDs im Auto ...«
    Kurt winkte ab. »Träum weiter. Heute hagelt es Klischees vom Allerfeinsten: Edith hat als Alleinunterhalter einen alten Schulfreund einfliegen lassen. Mach dich auf etwas gefasst.«
    »Du meinst, so einen Fuzzi mit Keyboard, der immer ›Ölapalömablanca‹ auf Ossi singt? Das wollte ich schon immer mal live erleben. Das ist sicher superwitzig!«, freute ich mich.
    Mein Blick wanderte mit neuem Respekt zu Edith, die gerade die konsternierten Schweden deutlich gegen deren Willen abküsste. Völkerverständigung funktionierte anders.
    Kurt schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, dir schon im Vorfeld jede Illusion rauben zu müssen. Aber ich kenne den Menschen von früheren Veranstaltungen. Das Beste, was man von ihm sagen kann, ist, dass er ziemlich schnell so betrunken sein wird, dass er umfällt und den Mund hält.«
    »Ach was«, wischte ich Kurts Bedenken vom Tisch. »Du verstehst das nicht. Das wird sicher eine Art Performance. Für die ist die Labskaus-Familie ja berühmt.«
    Er tätschelte mir mitleidig die Schulter. »Wir sprechen uns später!« Augenzwinkernd trollte er sich.
    Nach kurzer Zeit war die Geheimmischung des Schwedenkolosses leer. Ich bahnte mir einen Weg zum Büfett und schnappte mir ein Stück Quiche sowie ein Bier. Damit bestückt setzte ich mich auf einen einsamen Stuhl und widmete mich konzentriert der Nahrungsaufnahme. Bei jedem Bissen sagte ich mir: »Noch dreizehn Stunden, fünf Minuten, fünfundvierzig Sekunden, biip, noch dreizehn Stunden, fünf Minuten, fünfunddreißig Sekunden, biip, noch ...«
    Leider kam ich mit diesem kurzweiligen Zeitvertreib nur bis zur Hälfte der Quiche. Dann rollte der angekündigte Alleinunterhalter mit großem Hallo an und begann direkt neben mir sein Keyboard aufzubauen.
    Ich nickte ihm mit vollen Backen zu. »Nur zu, legen Sie ruhig los und bringen Sie endlich Stimmung in die Bude!«
    »Was meinen Sie, wozu ich hier bin?«, giftete er. »Ich brauche Ihren Stuhl.« Auffordernd hielt er mir

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