Schneckle im Elchtest
patriarchalisch lebende Gesellschaft?«
Ich sah ihm an der Nasenspitze an, dass er nicht mitgekommen war.
Deshalb brüllte ich ihn an: »Dein Vater ist ein verwirrtes Arschloch, das seinen Schwanz zeitlebens nicht in der Hose behalten konnte! Die Damen, die sich hier tummeln, sind allesamt ebenso verwirrte, bösartige Kreaturen mit einem IQ unter 50! Und du und deine Geschwister, ihr seid vor allem eins: zu bedauern! Im ganzen Schwabenland wirst du keine solche Konstellation unvergleichlich rückständiger, frauenverachtender Niedertracht finden! Zum Teufel mit deiner ganzen Familie von Paschas! Ihr befindet euch verhaltenstechnisch im finstersten Mittelalter! Und, lieber Steve, wenn dich tatsächlich derselbe gigantische Minderwertigkeitskomplex begleitet wie den Rest deiner Familie, dann sollten wir das mit der Hochzeit am besten sofort vergessen!«
Au ja!
Noch während ich die Worte ausgesprochen hatte, hatte sich eine wunderbare Leichtigkeit in mir ausgebreitet. Vor meinem inneren Auge schwebten auf einmal schneeweiße Wattewölkchen vor einem tiefblauen Himmel. Vögel zwitscherten. Eine laue Brise wehte. Und meine Mundwinkel bogen sich automatisch in Bananenform nach oben, als mir die Worte wie von selbst von den Lippen kamen: »Nie wieder Labskaus!«
Die seit Tagen in meine Stirn gravierten Zornesfalten glätteten sich ohne jede Antifalten-Creme und vor meinen Augen explodierte ein hübsches kleines Feuerwerk.
Als ich wieder klar sehen konnte, walzte mich die Erkenntnis platt: Ich war gewillt, Steve und seinem vorsintflutlichen Familiensumpf für immer zu entkommen. Schon der Gedanke daran sorgte für einen regelrechten Glücksschwindel. Wie wunderbar würde erst das Leben in Stuttgart nach diesem ganzen Mist hier sein! Ohne endlose und zumeist sinnlose Gespräche und Aufklärungsversuche! Lieber blieb ich ein Leben lang ein von allen Seiten bemitleideter Single, als mir den Blödsinn mit diesem windelweichen Versager, Muttersöhnchen und Vollzeitlügner weiter anzutun.
Doch Steve machte mir vorerst einen Strich durch die Rechnung: »Sabine«, erklärte er samtweich und zupfte sachte an meinen Locken herum. »Du meinst nicht, was du sagst. Ich gebe zu, dass die ganze Situation hier ziemlich schwierig für uns ist. Aber vergiss nicht, was uns verbindet. Denk an unsere Zukunft. Deine und meine. Es geht doch um uns beide. Um unsere Liebe!«
Sein treuherziger Dackelblick entführte mich schneller, als mir lieb war, zurück in sein Dornröschenzimmer. Das sich leidenschaftlich küssende Pärchen an der nächtlichen Stuttgarter Ampel fiel mir ein. Und das Traumbild einer alleinstehenden, aber glücklichen alten Dame begann sich aufzulösen. Vor allem, als Steve mich fast in einer Umarmung zerquetschte.
»Na, siehst du«, erklärte er. »Jetzt bringen wir noch die Feier hinter uns, dann setzen wir uns einfach ab und machen noch ein paar Tage Urlaub hier in Schweden. Nur du und ich. Und hoffentlich mit besserem Wetter.«
Damit hatte er mich.
»Du sorgst auch für besseres Wetter? Meine Zehen schimmeln nämlich schon«, erklärte ich.
Er nickte. »Ich bestelle jede Menge Sonne, ein Ferienhaus direkt an einem See und wunderbar trockene Zehen. Dafür werde ich persönlich sorgen«, erklärte er lüstern.
Da war er wieder, der Piratenzahn.
Leider war der magische Moment nur allzu schnell wieder vorbei. »Los, ihr beiden, ihr könnt mir in der Küche helfen!«, tönte das wie üblich schlecht gelaunte Geburtstagskind.
Den Rest des Tages verbrachten wir Gemüse schnippelnd, in Töpfen rührend und uns die Finger verbrennend. Zum Dank dafür gab es jede Menge Gemotze.
Ich schwor mir, dass das heute definitiv mein letzter Aschenputtel-Auftritt sein würde. Ganz egal, wie die Geschichte mit Steve und mir weiterging. Immerhin hatte meine Verbalattacke zur Folge gehabt, dass er an meiner Seite blieb und sich geschlagene drei Stunden lang beim Zwiebelschneiden flirttechnisch mächtig ins Zeug legte.
Immer mal wieder schneite jemand vorbei und machte ein Beweisfoto von dem »wunderbaren« Steve.
Als es endlich acht Uhr war, blieb uns kaum noch die Zeit, uns etwas aufzuhübschen, als auch schon irgendein Jagdkamerad von Udo mit seiner Trompete ein fideles »Halali« trötete.
Die Show konnte beginnen.
Kerstin und ihre Mutter hatten sich zu meiner Enttäuschung mit einer echten und einer vorgetäuschten Erkältung entschuldigt. Aber dafür kamen, zu meinem Erstaunen, tatsächlich ein paar verschüchterte Schweden
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