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Schneckle im Elchtest

Schneckle im Elchtest

Titel: Schneckle im Elchtest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Ruehle
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...«
    »Paula!«, korrigierte mich die Heulboje erbost.
    »Ja, äh, von mir aus und wie auch immer: Keiner, der in deinem – oder sonst einem – Leben wirklich wichtig ist, sieht das hier. Und die, die es sehen, benehmen sich noch dämlicher. Es ist zwar megapeinlich. Aber nur für deine Mutter, nicht für dich.«
    Wieso starrten die beiden eigentlich während meiner netten kleinen Rede haarscharf an mir vorbei über meine Schulter? Langsam drehte ich mich um. Und natürlich stand sie dann auch da: Ulrike, eben noch die peinlichste aller Tänzerinnen, nun Rachegöttin.
    »Wer ist hier peinlich?«, fragte sie aufgebracht und piekte mir mit einem spitzen Zeigefinger in die Magengegend.
    »Au!«, empörte ich mich. »Lass das!«
    »Was fällt dir ein, meine Tochter gegen mich aufzuhetzen? Du denkst wohl, nur weil du bald mit einem Labskaus verheiratet bist und ich nicht, wärst du etwas Besseres.«
    »Das ist doch grotesk!«, entgegnete ich erstaunt. »So einen Schwachsinn kannst nicht mal du glauben, oder?«
    »Oh doch!«, zischte sie. »Auf nichts anderes kommt es in dieser Familie doch an: auf den Nachnamen, quasi als Ritterschlag. Und da Joe mich nie heiraten wird, weil er immer noch mit seiner Exfrau verheiratet ist – und auch bleiben wird, auch wenn die Dame derzeit lieber mit einem Millionär um den Globus jettet – denkst du, du hättest mir etwas voraus!«
    »Das ist wirklich nicht grotesk«, verbesserte ich mich. »Das ist schlichtweg bodenlos. Außerdem würde ich niemals den Nachnamen Labskaus annehmen. Oder Labskaus-Schneck ... Ich bin ja nicht verrückt! Vielleicht würde Steve aber dafür sogar ganz gern Schneck heißen. Wenn er möchte – eine Verbesserung wäre es allemal. Darüber könnten wir noch reden.«
    Alle starrten mich an.
    Steve räusperte sich: »Das kann jetzt aber nicht dein Ernst sein, oder? Natürlich nimmst du meinen Nachnamen an. Das versteht sich doch von selber.«
    »Ich glaube, mein Schwein pfeift! Wenn du nur jemanden suchst, der deinen bescheuerten Nachnamen annimmt, dann heirate doch Ulriiike!«, quiekte ich zunehmend sauer. »Sie ist ganz scharf auf euren Familienstempel. Dann wären alle glücklich und zufrieden.«
    Ich ließ die ganze blöde Blase einfach stehen. Wo war bloß der Hochprozentige? Ich schnappte mir das Erste, das mir zwischen die Finger kam – eine Flasche Marillenlikör, auch gut. Mit meiner Beute verzog ich mich zum anderen Ende des Schuppens, um schließlich und endlich doch noch meinen Abgang zu planen. Ich hatte genug.
    Nach einigen kräftigen Schlucken vom Likör tauchte wie aus dem Nichts plötzlich Verkaufssender-Joe auf und zog mich auf die Tanzfläche. Er hatte sich vom Leierkastenmann einen Wiener Walzer gewünscht und walzte mit mir kreuz und quer durch die Scheune. Ich hörte quasi jeden Balken sowie natürlich Ulriiike vor Entrüstung ächzen. Doch es war mir egal. Jetzt wollte ich auch endlich ein kleines bisschen Spaß haben. Leider hatte der Alleinunterhalter schließlich seinen finalen Alkoholpegel erreicht und kippte einfach aus den Latschen.
    »Glück gehabt«, säuselte mir zwischen zwei Liedlein ein Hüften schwingender Kurt ins Ohr. »Er hat sich schon vor dem Akkordeonauftritt ins All geschossen. Das ist neuer Rekord.«
    Nun schlug Ulrikes Stunde. Sie griff zur »Dancing-Queen«-Konserve, rammte mich mit ihrem Ellenbogen brutal aus dem Feld und schnappte sich Joe.
    Der arme Kerl, in seiner Haut wollte ich jetzt nur ungern stecken.
    Da die verschiedenen Tanzeinlagen um mich herum an Peinlichkeit sowieso nicht zu überbieten waren, gab ich ebenfalls alles und feierte in den folgenden Stunden mein ganz persönliches Abba-Revival mit exzessivem Ausdruckstanz.

    Als der Alkohol sich seinem letzten Tropfen zuneigte und man vor dem ohnehin nicht wirklich dunklen Himmel langsam den Regen auch wieder sehen und nicht nur hören konnte, beschloss ich Steve zu suchen, um zur Abfahrt zu drängen – nach ein paar Ausnüchterungsstunden natürlich.
    Wo steckte der Kerl nur? Zuletzt hatte ich ihn im Klammertanz mit Petrapaula gesehen. Das war allerdings schon eine Weile her. Ob er sie immer noch trösten musste, weil sie sich für ihre Mutter schämte?
    Ich schüttelte den Kopf. Zum Glück war ich aus dem Alter raus. Nicht mal mehr für Steve schämte ich mich noch. Dem Marillenlikör sei Dank.
    Ich machte mich also auf die Suche nach dem Retter der Pubertätsgeplagten. Erschöpft trat ich in den leisen Nieselregen und atmete ein paar Mal tief

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