Schneckle im Elchtest
dass es schon dunkel ist. Sonst könnten wir noch zusammen frühstücken gehen.«
Volker lächelte. »So etwas Ähnliches habe ich auch gerade gedacht. Ich könnte mich dabei für die nette Geschichte revanchieren. Vielen Dank übrigens. Sonst langweile ich mich auf dem Rückweg von so einer Eselstour immer mächtig.«
»Und du könntest mir auch etwas von dir erzählen«, ergänzte ich. »Von mir weißt du ja jetzt eine Menge. Aber du? Was machst du eigentlich, wenn du nicht mit Bussen voll besoffener Manager nach Schweden fährst? Gehst du regelmäßig zum Zahnarzt? Hast du eine nervige Familie mit zig Exfrauen deines Vaters, die sich selber und gegenseitig alle hassen? Wie beendest du in der Regel deine Beziehungen? Wie heißt du mit Nachnamen – und, vor allem, wie hieß deine letzte Freundin?«
Volker lachte. »Wie wäre es, wenn ich dir ein bequemes Gästebett in einer netten Wohnung in der Lübecker Innenstadt beschaffe? Dort könntest du dich erst einmal ausschlafen. Und beim Frühstück beantworte ich alle deine Fragen. Na, wie wäre das?«
»Himmlisch«, säuselte ich. »Und wie komme ich zu dem netten Gästebett in der bequemen Wohnung? Hm?«
»Tja.« Volker sah mich schief an. »Ich könnte dir den Koffer hintragen. Ziehen kannst du den nämlich keinen Meter mehr. Und zufälligerweise wohne ich ebenfalls in der netten Wohnung. Du kannst den Weg also gar nicht verfehlen.«
Ich zögerte. Gerade erst hatte ich mich aus der einen Affäre gezogen. Sollte ich da gleich in die nächste schliddern? Das Ding mit den Fischköpfen hatte ich doch eben erst abgehakt. Die Nord-Süd-Achse war zerdeppert. Und ich würde mich in Zukunft an das Motto halten: Schuster, bleib bei deinen Leisten – oder für mich übersetzt: Schneckle, bleib bei deinen Schwaben.
Da grinste Blondie frech und legte den Kopf schief. Wie eine Kreuzung aus dem jungen Otto, einem Terrier-Welpen und Harry Belafonte.
Ich kicherte und verwarf den Fischkopf-Boykott: »Okay. Wenn ich heute kein einziges Wort mehr sagen muss.«
»Geht in Ordnung. Du hast ja noch Zeit, bis du wieder in Stuttgart sein musst. Bis dahin kannst du ja noch jede Menge von dir geben.«
»Mhm.« Dankbar lächelte ich meinen Retter an.
Ich würde den Nordlichtern noch einmal eine Chance geben. Das waren schließlich auch Menschen. Eben nur ohne schwäbischen Akzent. Und wenn sie noch ein bequemes Gästebett hatten, waren sie den Schwaben momentan sehr überlegen.
Am nächsten Morgen brauchte ich eine ganze Weile, bis ich meine Umgebung zuordnen konnte. Kein Wunder – in den letzten neun Tagen hatte ich mehr Kilometer zurückgelegt als meine Großmutter in ihrem ganzen Leben. Deshalb sagten mir die vielen Reiseplakate, die über meinem Kopf klebten, erst einmal überhaupt nichts. Taj Mahal? Gut, ich ging gerne indisch essen – aber hinfahren würde ich wohl nicht so schnell. Machu Picchu? So esoterisch war ich nicht, dass ich ein komplettes Jahresgehalt für handtellergroße, überall frei herumlaufende Spinnen ausgab. Nazca? Ich hatte keine Ahnung, wo das war, deshalb würde ich wohl auch nicht so schnell dort hinfahren. Aber wie war ich in diesen Reiseprospekt gelangt?
Vielleicht konnte mir der leise vor sich hinschnorchelnde, baumlange Kerl, der neben mir in dem großen Bett lag, weiterhelfen.
Wer war das überhaupt?
Ich hielt mir stöhnend meinen Kopf. Erinnerungsfetzen flatterten in meinem Kopf wild durcheinander. Zwei Champagnerflaschen hatten letzte Nacht auf jeden Fall eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Das letzte Mal, dass ich derartig versumpft war, hatte ich kurz danach eine Affäre angefangen – mit Steve.
Schlagartig war ich hellwach und musterte erschrocken den Schnarcher. Nein. Der war blond. Ich schlug mir mit der flachen Hand vor die Stirn. Ja, richtig, wie hatte ich das vergessen können! Steve hatte ich ja gestern mit einem klassischen K.o. für alle Zeiten aus dem Ring und meinem Leben katapultiert. Natürlich, jetzt fiel es mir wieder ein – Blondie neben mir war Volker, mein Retter! Er hatte mir außer dem Gästebett netterweise ein paar Flaschen Champagner und als Dessert schließlich sich selbst angeboten.
Ich konnte über mich nur den Kopf schütteln und murmelte vor mich hin: »Sabine, Sabine, kannst du eigentlich kein Klischee auslassen? Seit wann brauchst du einen Fluchthelfer, wenn du gerade eine miese Beziehung beendet hast?«
»Seitdem du im Småland fast von einem Werwolfwichtel gefressen worden wärst«, brummte mit
Weitere Kostenlose Bücher