Schneckle im Elchtest
... Das Ganze ist wahnsinnig peinlich. Zum Glück wohnt der gute Mann reichlich weit weg. Dem laufe ich bestimmt nie wieder über den Weg.«
Was dann doch wieder irgendwie schade war.
Inzwischen brüllte Nina an der Haustür. »Was wollen Sie denn noch, um Himmels willen? Wir haben alle schon ein Zeitschriftenabo, tausend Versicherungen und gespendet haben wir in diesem Jahr auch schon. War’s das?«
Anscheinend nicht. Denn nun brüllte Nina noch »Mir kaufed nix!«, und knallte die Tür derart ins Schloss, dass ich Angst um die Angeln bekam. Mit – soweit man es durch die Maske erahnen konnte – rotem Gesicht dampfte Nina zurück zu uns in die Küche.
»So was Penetrantes«, schimpfte sie vor sich hin. »Sabine, dass das hier nicht die beste Stuttgarter Wohnlage ist, war mir zwar klar. Aber dass ihr derart von Drückerkolonnen belagert werdet, ist schon erschreckend.«
Etwas ratlos schaute ich sie an. »Das ist die erste Drückerkolonne, die sich hier blicken lässt. Jedenfalls seitdem ich hier wohne. Und das sind immerhin schon zwei Jahre.«
»Der arme Mann«, schaltete sich da unser gutes Herz Silke ein. »Es muss schwer sein, ständig die Türe ins Gesicht geschleudert zu bekommen.« Sie warf Nina einen missbilligenden Blick zu. »Und ich finde es immer noch besser, Zeitschriftenabos und Rosen zu verkaufen als das bisschen Arbeitslosengeld zu versaufen und Leute auf der Königstraße anzubetteln.«
Nina zuckte mit den Schultern. »Hätte er etwas Vernünftiges gelernt, wäre er jetzt nicht in der Situation. Wie man sich bettet, so liegt man. Und das, liebe Sabine, meine ich genau so, wie ich es sage.«
Da klingelte es zum dritten Mal.
»Na warte«, fauchte Nina. »Freundchen, gleich wirst du dir wünschen, auf der Königstraße gebettelt zu haben!«
Den Nagellack komplett außer Acht lassend stapfte sie zur Tür, riss sie auf und wollte gerade zu einer original schwäbischen Standpauke ausholen, da brüllte jemand: »Sabine? Schneckle? Bist du da?«
Ich zuckte zusammen. »Das gibt’s doch nicht«, stammelte ich. »Die Stimme hört sich genauso an wie ...«
»Sabine! Hilfe! Das vollgeschmierte Monster hier will mich nicht reinlassen! Jetzt glauben Sie mir doch, bitte – Sabine kennt mich. Zwar noch nicht lange, aber immerhin, aua, nicht hauen! Sabine!!!«
Stöhnend vergrub ich meinen Kopf unter meinen Armen und schmierte dabei meinen weißen Bademantel mit allerhand Farben voll.
»Wer ist das denn?«, wollte Silke interessiert wissen und reckte den Hals.
»Na, wer wohl?«, stöhnte ich.
Da tönte es schon wieder von der Wohnungstür: »Sabine? Bitte, bist du da? Wenn ja, dann ... Aua! ... Hilfe!!«
Es rumpelte.
Böses ahnend rannte ich mit Silke im Schlepptau in den Flur. Dort bot sich uns ein eher ungewöhnliches Bild: Zwischen bunten Schirmen, die aus dem umgekippten Schirmständer gepurzelt waren, drosch die selber reichlich bunte Nina meinem Lübecker Retter einen gewaltigen Strauß Rosen um die Ohren und kreischte dazu in den höchsten Tönen: »Dir werde helfa, Birschle! Ohschuldige Fraua mit ama blede Blomaschdreißle om da Fenger wickla on no iberfalla wella.«
Au weia, Ninas in München mühsam abtrainiertes Schwäbisch brach sich nur in absoluten Ausnahmesituationen Bahn.
»Aber ned mid ons, hosch gherd? Dir werd i helfa!« Wieder holte sie mit dem Strauß weit über ihren Kopf aus, um ihn Volker mit Schmackes auf den Kopf zu knallen.
»Nina, um Himmels willen!«, rief ich da, rannte zu ihr und fiel ihr in den Arm. »Das ist Volker, Süße, du weißt! Wenn ich dich erinnern darf: Er hat mich in Schweden gerettet – und ich habe ihn dann schnöde bei Nacht und Nebel verlassen. Nicht umgekehrt!«
»Stimmt das?«, fragte sie Volker drohend.
Der stand entsetzt und wie angenagelt auf der Schwelle und starrte Nina mit weit aufgerissenen Augen an. Schließlich schluckte er hörbar und nickte zögernd.
Nina ließ den Strauß sinken, pustete sich eine blaue Haarsträhne aus der Stirn und reichte mir hochnäsig das, was von dem Strauß übrig geblieben war. »Hier. Dann ist das Gemüse wohl für dich.« Hoheitsvoll dampfte sie, wieder ganz Grande Dame, davon in Richtung Küche.
Ich starrte auf die zerrupfte Pracht in meinen Händen und traute mich kaum in Volkers Richtung zu schauen. Aber es half ja nichts.
»Hi, Volker«, erklärte ich schließlich seinen Füßen. »Was machst du denn in Stuttgart? Und wie hast du mich gefunden?«
Er lachte und meinte lapidar: »Ich bin einfach
Weitere Kostenlose Bücher