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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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starken Kaffee servieren. »Wir brauchen einen klaren Kopf«, stellte er fest.
    Als der Kellner Mokkatassen, Zucker und die Kanne mit dem dampfenden Gebräu bereitgestellt hatte, wartete Nurwan noch, bis die Tür wieder geschlossen war. Dann zog er eine Havanna aus dem Lederetui, drückte sie vorsichtig zwischen den Fingern, lehnte sich zurück und zündete sie mit einem Streichholz an.
    Ihm gegenüber saß »Winston-Bonn«, ein unauffälliger, mittelgroßer, schon leicht ergrauter, untersetzter Mittfünfziger, der sich seit Jahren um den Absatz von Heroin im Köln-Bonner Raum verdient gemacht und daran verdient hatte. Er rührte angestrengt in seiner Mokkatasse und pustete zwei, drei mal darüber hin.
    »Ich höre«, sagte Nurwan und sah dem Rauch seiner Havanna nach. »Was ist los am Rhein? Nicht umsonst haben wir uns gerade hier zusammengefunden. Also?«
    Winston antwortete erregt: »Ich sage dir, Alev, es dauert nicht mehr lange, und der Markt kippt um. Kurzfristig ist die Nachfrage noch stark; mir fehlt sogar Ware, weil ein paar Sendungen nicht übergekommen sind. Aber…«
    »Du meinst diese verdammte Geschichte mit den türkischen Helfern, die am Nürburgring in eine hundsgemeine Polizeifalle gestolpert sind. Die Kerle müßte man wegen Dummheit aus dem Verkehr ziehen.«
    »Das war Pech und kann jedem mal passieren; aber sie halten dicht. Bis jetzt habe ich die Kalamitäten im Dreiländereck und in Kölns Goldener Stube mit meinen Reserven überbrücken können.«
    »Nun gut, wer von den Kerlen singt, lebt nicht mehr lange. – Ist das abgeschottet?«
    Winston nickte. »Absolut. Der Stoff ist von der Dependance in Frankfurt gekommen. Also muß dort das Leck sein.«
    »Das werden wir stopfen – und zwar rigoros«, brummte der Zigarrenraucher.
    »Aber nun zu den Perspektiven«, sagte Winston. »Sie sind einfach katastrophal. Koks und Designerdrogen graben mir das Wasser ab. Es ist nur noch eine Frage der Zeit und vor allem des Preises, wann meine Junkies auf Speed und Crack, diesen zusammengebackenen Schnee, umsteigen.«
    Alev Nurwan wunderte sich. »Ich denke, die deutsche Polizei hat die Küchenlabors ausgehoben?«
    »Hat sie«, bestätigte Winston, »allein fünfzig im letzten Jahr. Aber jede Woche werden neue aufgemacht. Das ist für Chemiker, und davon gibt es wirklich genug, technisch überhaupt kein Problem. Mit ein paar guten Chemie- und Pharmaziebüchern schaffen das sogar die Abiturienten. Die Grundstoffe sind billig und der schwarze Markt weitet sich aus. Noch fehlen denen allerdings eingefahrene Absatzwege bis zum letzten Junkie. Derzeit stehen nur zwei Netze: das von uns und das von den Kokshändlern. – Diese verfluchten Schneemänner sind es, die uns hier und heute den Markt kaputtmachen. Wir landen mit den Preisen im Keller, wenn das so weitergeht.«
    Der Raucher streifte vorsichtig die Asche ab. »Und wie sieht es in Belgien und in den Niederlanden aus?«
    Der angesprochene Repräsentant für Benelux, ein für diesen Kreis sehr jung wirkender blonder Typ, sah auf. »Früher einmal ganz ähnlich, aber du weißt, wir haben uns mit den Dons arrangiert und die Claims abgesteckt. Damit haben wir die Sache im Griff.«
    »Dahin müssen wir in Deutschland auch kommen«, warf Nurwan ein.
    »Das empfehle ich dringend«, fuhr der Benelux-Repräsentant fort. »Jetzt rühren bei uns nur noch die Designer wie die Verrückten im Markt herum. Bei denen gibt’s zu viele Kleine, aber keine Gang, mit der man ein vernünftiges Abkommen treffen könnte. Jetzt, wo in Deutschland die Labors gleich dutzendweise ausgehoben worden sind, haben die Dummköpfe nichts Eiligeres zu tun, als den Markt von den Niederlanden aus vollzuschmeißen. Die Binnengrenzen in der Europäischen Gemeinschaft werden immer durchlässiger.«
    »Da gibt’s auf Dauer wohl nur einen Weg«, überlegte Alev Nurwan. »Ich sehe keinen anderen: Wir lassen die Polizei für uns arbeiten. Jedes uns bekannte Labor wird gemeldet, die Designer und ihre Dealer ebenfalls – anonym selbstverständlich. Mit denen gibt’s keine Solidarität, und in der Kleinszene muß sich langsam herumsprechen, daß es Prügel setzt, wenn man am falschen Kuchen knabbert.«
    »Gilt das auch für die Schneemänner?« fragte Winston.
    »Nun sag mal, wie dumm sind wir denn? Auf gar keinen Fall!« Alev schüttelte verständnislos den Kopf. »Wenn wir Schnee und Speed in gleicher Weise angehen, hat die Polizei bald spitz, wer dahintersteckt. – So einfältig werden wir doch

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