Schnee Im Regierungsviertel
nicht sein! – Wenn es nur die Designer trifft, werden sie glauben, daß die Kokshändler am Werk sind, denn die wollen ja ihren Markt ausweiten. Die kämpfen um denselben Kundenkreis.« Alev Nurwan legte die Zigarre in den Ascher und nahm noch eine Tasse Mokka. »Nein, nein. – Mit den Schneemännern müssen wir uns auch in Deutschland arrangieren. Dahinter steckt schließlich das Kartell der Dons.«
Winston schüttelte den Kopf. »Aber wie? Die wollen doch nicht.«
Nurwan ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er nahm die Zigarre auf und zog bedächtig – nach ein paar Zügen wurde die Glut wieder stärker. »Ich habe schon etwas eingefädelt. Die Dons werden eine spektakuläre Warnung erhalten und endlich merken, daß wir nicht mit uns spaßen lassen, wenn es ums Geschäft geht.«
Winston nickte, doch seine Handbewegung deutete Vorsicht an. »Wir müssen höllisch aufpassen, daß die Kleinszene ruhig bleibt. Das tote Mädchen auf dem Venusberg paßt mir gar nicht in den Kram. Jetzt haben wir Läuse und Flöhe gleichzeitig im Pelz, – Mordkommission und Rauschgiftfahnder.«
»Tod durch unsere Ware?«
»Höchstwahrscheinlich eine zu hohe Dosis – und die noch mit Strychnin versetzt.«
Der Kahle blies eine Wolke zur Decke. »Kennst du den Lieferanten? Den lasse ich fertigmachen. Schon lange nicht passiert, daß es einer gewagt hat, uns Dreck zu schicken.«
Winston war ratlos. »Meine Junkies und Dealer kannten die Puppe nicht einmal. Der Goldene Schuß ist jetzt das Thema der Presse. Das Mädchen war bis vor einem Vierteljahr im Bundeskanzleramt beschäftigt und soll zuletzt Studentin gewesen sein. Rauschgifttote aus dem Kanzleramt! So eine Schlagzeile ist bestes Journalistenfutter. Gleichwohl: Ich kann den Markt nicht kaputtgehen lassen. Mir fehlt Stoff.«
»Dein Anruf kam noch rechtzeitig«, sagte der Blonde. »Ein Kilo, achtzig Prozent garantiert, einhundertfünfzigtausend.«
Winston griff in die Jackentasche und schob drei Bündel à fünfzigtausend Deutsche Mark über den Tisch.
»Macht das gefälligst draußen ab«, entrüstete sich Nurwan. »Hier bei mir wird geplant, nicht gedealt. Es gefällt mir gar nicht, daß ihr den Stoff mit euch herumschleppt, wenn wir uns treffen.«
Der Blonde murmelte etwas von Notfall, außergewöhnlichen Umständen und Eile. Aber die Ware war selbstverständlich im Schließfach auf dem Bonner Hauptbahnhof. Damit schob er Winston den Schlüssel zu.
Der vierte Mann am Tisch hatte bisher geschwiegen. Er war groß, athletisch gebaut und hatte einen Bürstenhaarschnitt. Die Jahre hatten ihm etwas von seiner zuschlagenden Beweglichkeit genommen, doch gefährlich sah er immer noch aus – auch wenn der dunkelblaue Anzug den Maßschneider erkennen ließ.
»Was ist los auf dem Kiez, Hummel?« fragte ihn Nurwan.
»Chaos«, antwortete der Angesprochene. »Totales Chaos. Die Luden bringen sich gegenseitig um. Aids hat die Freier knapp werden lassen, und die Zuhälter drängen immer stärker ins Drogengeschäft. Die Zeiten, wo die einen den Sex und die anderen die Drogen geliefert haben, sind längst vorbei. Seit sich herumgesprochen hat, daß Koks high, happy und aktiv zugleich macht, sind die Hühner wild auf Schnee. Damit turnen sie sich an, um den Freiern zu zeigen, was sie können. Die zahlen Wahnsinnspreise, glatt vierhundert Mark pro Gramm. Äitsch kommt da auf die Dauer nicht mit; macht schnell zu und bringt wenig Power für die Liebe. – Unser Markt wächst nicht mehr, ist aber noch einigermaßen stabil. In Hamburg gibt es Junkies genug; ein Viertel unserer Stammkunden sind Arbeitslose. Denen lasse ich schon mal einen Sonderpreis machen. Fuffis oder Hunis mit zehn bis zwanzig Prozent Rabatt. Solche Sozialhilfen weiß man zu schätzen. Beim Koks dagegen wird hart gefeilscht.«
»Aber Polizei und Zoll haben doch mächtig dazwischengehauen?«
»Und ob! Die haben den Koks säckeweise beschlagnahmt, aber der Importdruck, vor allem aus Kolumbien, läßt nicht nach. Das Bundeskriminalamt glaubt selbst nicht, daß es mehr als zehn Prozent abschöpfen kann. Die Verteilungskämpfe im Milieu sind mörderisch. Ich bin nur am Rande betroffen. Jede der beiden größten Ludengangs vom Kiez will die Oberhand haben. Dafür schießen sie sich Löcher in die dämlichen Köpfe, die nicht einsehen können, daß man Ruhe braucht, wenn das Geschäft laufen soll.«
»Du hast dich also mit den Schneemännern nicht arrangiert?«
»Nein, das geht erst dann, wenn die Koksluden sich so weit
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