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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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abgestochen haben, bis einer den Boß mimen kann. – Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Damit komme ich vorläufig ganz gut über die Runden.«
    Alev Nurwan hatte seine Zigarre verglimmen lassen. Er überlegte, wie man die Lage in den Griff bekommen könnte. Doch ihm fiel auch nichts Besseres ein, als Hummel schon geäußert hatte: »Wir warten ab, bis Ruhe einkehrt, und werden dann die Klientel aufteilen. – Die Warnung an die Schneemänner im Köln-Bonner Raum muß so spektakulär ausfallen, daß sie auch in Hamburg verstanden wird. Wir werden sie zum Hades schicken – und wenn ›H‹ zuschlägt, gibt’s keine Wiederkehr.«
    »Wie läuft’s im Südsektor?« fragte Hummel. »Von den Brüdern hat man schon lange keinen mehr gesehen.«
    »Die habe ich draußen gelassen«, winkte Nurwan ab. »Von denen sind mir zu viele den Fahndern ins Netz gegangen; liegt ganz in der Richtung mit den hopsgenommenen Türken am Nürburgring. Die Frankfurter haben offensichtlich Läuse im Pelz – und davon wollen wir uns hier freihalten. Wir sind uns also einig: die Designer überlassen wir den Rauschgiftfahndern und den Schneemännern wird klargemacht, daß sie sich nach dem Muster Benelux mit uns arrangieren müssen, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Wenn wir mit denen keinen Modus vivendi finden, wird es auch für uns schwer. Was nützt die mühsam aufgebaute Logistik, wenn vor Ort Bürgerkrieg herrscht. – Und nun lassen wir Champagner kommen. Für wann sind die Girls vom Hostessen-Service bestellt?«
    »Meeting zehn Uhr in der Lounge«, antwortete Winston. »Madame schickt ihre besten Kräfte; tausendundeine Mark die Nacht. – Cash.«
    Alev Nurwan lachte: »Harte Währung, leichte Mädchen. In den Dollarländern läuft’s anders herum. Ich muß aber schon sagen, die Deutschen verstehen was vom Geschäft. Wer hat denen nur eingeredet, sie müßten Kriege führen, um reich und mächtig zu werden? – Stoßen wir an auf das Wohl von Europe-West.«

 
    9
     
     
     
    Irmela Ellers hatte man vor einigen Tagen beerdigt. Die Beisetzung auf dem Bonner Südfriedhof war eine bedrückend trostlose Angelegenheit gewesen. Eine aus dem Hessischen angereiste Mutter, stumm vor Schmerz, ein Bruder, der sie stützte, drei Verwandte, zwei Freundinnen aus der gemeinsamen Schulzeit, welche wohl die Neugierde hergetrieben hatte, dazu ein Priester, dessen Worte niemanden erreichten – und im Hintergrund Lupus; das Zeremoniell war trist abgelaufen. Abgang einer Drogensüchtigen, derer man sich schämte.
    Hauptkommissar Freiberg hatte andere Sorgen. Er befürchtete, daß ihm die wenigen Spuren des Falles vom Kaiser-Wilhelm-Stein unter den Händen zerrannen.
    Ahrens hatte wie immer vorzügliche Fotos geliefert; doch niemand von den Konterfeiten des Clans war jemals in den Polizeiakten erschienen. Ein Legationsrat, eine Gräfin, ein fliegender Konsul, der Sohn eines Rennstallbesitzers und all die anderen Schnuppies paßten durchaus in das Bild einer exaltierten Gesellschaft, die von Zeit zu Zeit ihre Duftmarken setzen wollte.
    Auch Presse-Mausers eingehende Berichterstattung hatte keine Leserbriefe oder anonymen Anrufe hervorgelockt, wie es sonst bei so delikaten Fällen die Regel war.
    Kommissarin Barbara Fendt hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, doch aus der Szene kamen keine Hinweise. Wenn die Junkies etwas gewußt hätten, wäre das durchgesickert, denn Geschichten erzählen gehörte zum Milieu. Wer so schwieg, der wußte nichts.
    Das Angebot des Gruppenleiters, die Mordkommission zu verstärken, war bei Freiberg auf taube Ohren gestoßen. Er hatte genug damit zu tun, den Schlaumeier Singer halbwegs sinnvoll einzusetzen. Mit einiger Spannung wurde im Kommissariat beobachtet, wie die changierenden Farben des Veilchens unter dessen Auge sich veränderten. Bald würden sie nicht mehr vorhanden sein; ähnlich verlor auch der Fall Irmela Ellers seine Konturen.
    Die Befehlsausgabe in Zimmer 306 war seit Tagen eine langweilige Angelegenheit. Der Kommissar arbeitete mit verbissener Wut Aktenberge durch und ab. Fräulein Kuhnert hielt sich mit ermunternden Bemerkungen zurück; dafür wurde ihr Kaffee immer stärker. Aber auch das machte den Geist nicht klarer. Am Montagnachmittag, kurz vor dem Ende der offiziellen Dienstzeit, kam noch ein lautstarkes Zeichen von Aktivität. »Kuhnert! – Die Akten her!« dröhnte es durch die nur angelehnte Verbindungstür.
    Sie konnte bei den Stößen von Papier, die sich im Umlauf befanden, wirklich

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