Schnee Im Regierungsviertel
erwartete Aussage mit den Eintragungen der Ellers vergleichen wollte.
Dr. Stakewerth stand langsam auf und ging schweren Schrittes zur lederbeschlagenen Tür. Mit einem Druck der flachen Hand vergewisserte er sich, daß das Schloß fest eingerastet war. Dann ließ er sich in den Sessel fallen. »Dieses Gespräch zu führen, ist mir außerordentlich unangenehm.«
Lupus klappte sein Notizbuch zu und stand auf.
»Bitte bleiben Sie doch. Ich lege keinen Wert darauf, ins Präsidium vorgeladen zu werden.« Stakewerth schüttelte den Kopf und die Stützwelle schien ihren Halt zu verlieren. »Ich habe Frau Ellers vor gut einem halben Jahr kennengelernt, als sie im Kanzleramt tätig war. Eine sehr liebenswerte und aparte Erscheinung, dabei so fröhlich und aufgeschlossen. Wir sind uns schnell nähergekommen; sie fühlte sich einsam in dieser Stadt, wo jeder nur an sich selbst denkt. – Als meine Frau einen längeren Urlaub auf den Bahamas verbracht hat – ich war hier aus geschäftlichen Gründen unabkömmlich –, da ist es dann geschehen; zwei Einsame… Sie verstehen – «
»Wo sind Sie sich nähergekommen?«
»In meinem Appartement. So ein Hochhaus bietet mehr…«
»Diskretion, ich weiß«, unterbrach Lupus.
»Ich habe erst aus der Zeitung erfahren, daß Irmela, daß Frau Ellers am Hofgarten gewohnt hat. In ihrer Wohnung bin ich nie gewesen.«
Lupus wollte es ganz genau wissen: »Sie haben die Dame also telefonisch bestellt?«
»Nein, ich kenne nicht einmal ihre Nummer; sie steht auch nicht im Telefonbuch. Wahrscheinlich hat sie sich wegen ihrer Tätigkeit im Kanzleramt eine Geheimnummer geben lassen. – Sie hat mich angerufen.«
»Und wie oft haben Sie sich getroffen?«
Dr. Stakewerth überlegte. »Bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Kanzleramt nur zwei- oder dreimal, glaube ich.«
Lupus zeigte zum Schreibtisch hinüber. »Könnten Sie das mit Hilfe Ihres Terminkalenders nicht etwas genauer sagen?«
Dr. Stakewerth lächelte komplizenhaft: »Darüber ist nichts notiert. Die Dame im Vorzimmer ist nämlich neugierig.«
»Wie hat sich die Sache entwickelt, nachdem Irmela Ellers aus dem Kanzleramt ausgeschieden war?«
»Danach haben wir uns dann regelmäßig jeden Dienstag getroffen. Ein Jour fixe vereinfacht die Beziehung.«
Lupus sah auf. »Jeden Dienstag also – auch Dienstag vor einer Woche? In der Nacht darauf wurde die Leiche gefunden.«
»Um Gottes willen«, fuhr Dr. Stakewerth zusammen, »in welche Richtung gehen Ihre Gedanken!? Nein, nein, wir hatten zwar an dem Tag eine Verabredung, aber unser Treffen war, wie immer, vormittags zwischen zehn und elf Uhr; das ist die beste Zeit. Abends habe ich regelmäßig gesellschaftliche Verpflichtungen. An diesem Abend hatte ein pharmazeutisches Großunternehmen zu einem Empfang ins Bristol eingeladen. Ich habe bis nach Mitternacht daran teilgenommen.«
»Das Alibi werden wir überprüfen müssen«, sagte Lupus, »diskret natürlich.«
»Dabei kann ich Ihnen behilflich sein – ich habe etwas für die Kriminalpolizei.« Dr. Stakewerth stand auf und ging zum Wandschrank. Er nahm einen Ordner heraus. »Hier, bitte, die Pressemappe. Auf dem Foto sehen Sie die Frau Minister, ihre persönliche Referentin, den Herrn Pavone aus der Chemiebranche und mich. Es wurde an dem fraglichen Abend kurz vor Mitternacht aufgenommen. – Sie dürfen es gern mitnehmen.«
Lupus dankte und legte den Presseausschnitt zusammengefaltet in sein Notizbuch. »Nun noch etwas zu den Konditionen. Sie müssen doch gemerkt haben, daß Sex für Geld geliefert wurde.«
»Zunächst nicht. Ich habe Irmela allerdings schon am ersten Tag einen Geldschein in die Tasche gesteckt. Sie wollte es nicht; aber man weiß doch, was die Mädchen als Angestellte verdienen. Davon kann eine Frau, die etwas auf sich hält, nun wirklich nicht adäquat leben. – Und man fühlt sich auch selbst etwas freier, wenn man für eine gute Sache einen angemessenen Preis bezahlt hat.«
»Und was hielten Sie für einen angemessenen Preis?«
»Ist das für Ihre Ermittlungen so wichtig? – Nun gut; ein Fünfhunderter war es.«
Lupus dachte daran, daß die Ellers so alt gewesen war wie seine Tochter. Für diese kaltschnäuzige Abwicklung einer Beziehung zwischen Mann und Frau konnte er kein Verständnis aufbringen. Ihn drängte es, das Gespräch so schnell wie möglich zu beenden und aus diesem Zimmer zu verschwinden.
»Haben sich die Beträge geändert?«
»Nein.«
»Wußten Sie, mit welchen weiteren Männern Frau
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