Schnee Im Regierungsviertel
Kampfstrategie mit Mafiamethoden auszuhecken. Sie wollen mit einer Aktionswoche in Westdeutschland beginnen. Die Äitsch-Gangs in der Kleinszene sollen die Fixer verprügeln, wenn sie auf Koks umsteigen. – Die Junkies reden übrigens immer von Koks, nicht wie die feinen Leute von Schnee. – Die Dealer erhalten eine Warnung, und wenn das nicht hilft, nach italienischem Vorbild einen Schuß ins Bein.
Dabei gilt Knochenbrechen als gleichwertige Erziehungsmaßnahme. Eröffnet werden soll die Aktionswoche mit einem Donnerschlag, und zwar so spektakulär, daß auch die Zeitungen, Funk und Fernsehen darüber berichten. Aber wie gesagt, Genaues weiß keiner.«
»Und das wird laut ausposaunt?« wunderte sich Ahrens.
»Dahinter steckt Methode«, erklärte die Kommissarin. »Angst und Verunsicherung der Schneemänner. Hier in den Köln-Bonner Raum drückt seit einigen Wochen das Kokain in einem Maße herein, daß der Heroinhandel bald zusammenbrechen muß. – Wir tappen im dunkeln. Keiner weiß, wie der Stoff über die Grenze kommt. – Vermutlich aus Holland oder Belgien.«
»Man kann diese Sorte Schnee aber doch nicht einfach durch die Luft herüberpusten«, warf Lupus ein.
Freiberg hob ruckartig den Kopf und sah Lupus starr an. »Diese Vorstellung ist vielleicht gar nicht so abwegig. – Was haben wir für Aufgriffsmeldungen von den Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn?«
Barbara Fendt brauchte nicht lange zu überlegen. »Verhältnismäßig wenige, verglichen mit Hamburg oder Frankfurt, wo die Direktflüge von Südamerika hereinkommen. Da werden jeden Tag Flugpassagiere, vollgestopft mit Kokain, erwischt.«
»Vollgestopft?« wunderte sich Fräulein Kuhnert.
»Ja, Kokain in Präservative gefüllt und runtergeschluckt – runtergewürgt ist wohl treffender. Wer nach der Landung verdächtig erscheint, wird geröntgt, und bei Bestätigung des Verdachts gibt’s Abführmittel. Die Kollegen, die anschließend die Scheißerei überwachen müssen, können einem wirklich leid tun. – Manchmal platzt auch ein Präser während des Fluges.«
»Dann ist der Fluggast high!« lachte Lupus los.
»Nein«, stellte die Kommissarin lapidar fest. »Dann ist er tot!«
Freiberg sah sie an. »Ein schreckliches Geschäft. – Aber zurück zu uns an Rhein und Ruhr. Wenn nicht über unsere beiden Flughäfen, wie kommt dann der Koks hierher – auf dem Landwege vielleicht, von Hamburg oder Frankfurt?«
Barbara Fendt wußte, daß ihre Antwort unbefriedigend war, als sie fortfuhr: »Solche ständigen Handelswege für Kokain sind mir nicht bekannt. Ganz anders sieht es beim Heroin aus. Der Stoff kommt Tag für Tag von Vorderasien über den Balkan mit Lkws herein. Der Abstellplatz des Zollamts Kiefersfelden steht voll mit beschlagnahmten Fahrzeugen. Aber auch Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen sind Umschlagplätze für Drogen aller Art. Deutsche, Türken, Italiener, Jugoslawen und Libanesen verfügen über zahlreiche Vertriebsnetze. Wenn unsere Fahnder ein paar Maschen zerreißen, ist alles bald wieder geflickt. Für die Heroin-Leute muß vor allem der Absatz vor Ort ungestört laufen. Die Ware herzuschaffen ist nicht das Problem.«
Freiberg stand auf, ging ein paar Schritte und setzte sich wieder. »Halten wir fest: Irmela Ellers ist an Heroin gestorben, war aber kokainsüchtig; im Kanzleramt habe ich das amtsärztliche Zeugnis selbst gesehen. Darum ist sie ja schließlich auch gefeuert worden. Dann hat sie ein Studium angefangen und verzeichnete steigende Einnahmen als Callgirl. Sie hatte ja auch mehr Zeit für die erbaulichen Spiele. Das paßt alles zusammen. Irgend jemand, dem sie vertraute, hat ihr offensichtlich größere Wonnen durch Äitsch versprochen und schließlich auch verschafft. Vielleicht hat sie als frischgebackene Studentin mit ihrem Wissen um das Ritual der Kommilitonen am Kaiser-Wilhelm-Stein angegeben. Wenn jemand vorhatte, sie umzubringen, war das eine gute Gelegenheit, alle Spuren zu verwischen. Ein Freier dürfte es nur dann gewesen sein, wenn er auch etwas von Drogen verstand.«
»Spekulier ruhig weiter«, sagte Lupus. »Je länger diese Ermittlungen dauern, um so froher bin ich, daß meine Tochter bald ihr Examen macht. Heutzutage ist ein Studium direkt lebensgefährlich.«
»Der Schnuppie-Clan«, sagte Freiberg und schüttelte den Kopf. Dann nickte er. »Diese Halbirren – ja, natürlich!«
»Wie bitte?« fragte Lupus ohne ein Spur von Verständnis. »Die Ellers hat doch nie dazugehört.«
»Aber du hast
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