Schnee Im Regierungsviertel
Sesselgruppe in feinstem Velours, Schränke und Schreibtisch aus einem Edelholz wie dunkelroter Samt. Die Bilder der Ehefrau und der beiden Kinder waren so geschickt auf dem Schreibtisch plaziert, daß der Besucher sie zwar wahrnehmen, aber die Gesichter nicht erkennen konnte.
Der zum Interieur gehörige Repräsentant, ein schlanker Mittvierziger, trug dunkelblaues Tuch mit feinen Nadelstreifen und ein leicht getöntes Oberhemd, wie es bedeutsame Politiker schätzen, die glauben, sich stets für eine Fernsehaufnahme bereithalten zu müssen. In der Krawatte hatte sich ein Hauch von Rot versteckt. Der markante Kopf mit dem von einer Fönwelle gestützten Haar hätte von einer Werbeagentur hergerichtet sein können. Auch der Begrüßungsblick wirkte wie von einem Designer gestaltet. Noch fühlte sich Dr. Stakewerth als Herr der Situation. Er nickte gönnerhaft und bat Lupus im Swinger am Schreibtisch Platz zu nehmen. Dann ließ er sich den Dienstausweis zeigen. Dem kurzen »Danke« folgte die zurechtweisende Feststellung: »Hätten Sie Ihren Auftritt nicht weniger dramatisch vollziehen können? Was soll meine Sekretärin denken? Sie wissen doch hoffentlich, wie schnell der gute Ruf eines Mannes in meiner Position Schaden nehmen kann.«
Das breite Gesicht von Lupus blieb immer noch freundlich, doch ein Zug von Härte hatte sich eingeschlichen. »Das habe ich versucht; aber ich lasse mir nicht gern die Tür weisen. Wenn Sie mein Anliegen schriftlich haben wollen – bitte gern. Ich verlasse sofort den Raum und werde Ihnen noch heute eine Vorladung auf das Polizeipräsidium zustellen lassen, Zimmer drei-null-sechs, Mordkommission!«
Das genügte. Dr. Stakewerth stand auf. »Ach bitte, nehmen wir dort drüben Platz.« Lupus fand den Sessel bedeutend bequemer als den Swinger.
»Also besprechen wir, was besprochen werden muß. Was führt Sie zu mir?« klang es schon verbindlicher. »Darf ich von meiner Sekretärin etwas zu trinken bringen lassen?«
»Danke, nein«, sagte Lupus. »Ich möchte es der Dame ersparen, einen Polizisten bedienen zu müssen. – Um gleich zur Sache zu kommen: Wir untersuchen den Tod von Irmela Ellers.«
Dr. Stakewerth gab sich offen. »Die Zeitungen haben darüber berichtet; aber was soll ich damit zu tun haben?«
Lupus blieb tiefgekühlt freundlich. »Nichts, wie ich hoffe. Wir befragen alle Herren, die das leichte Mädchen gekannt haben.«
»Und wieso kommen Sie gerade auf mich? Das ist ja wohl die Höhe; ich muß doch sehr bitten…«
»Um Diskretion, wie ich annehme«, hakte Lupus ein. »Davon dürfen Sie selbstverständlich ausgehen. Ich nehme an, Sie wissen, daß Irmela Ellers ihr Einkommen als Callgirl aufgebessert hat. Außerdem war sie rauschgiftsüchtig.«
»Sie unterstellen mir eine Beziehung zu einer – naja –? Wie kommen Sie eigentlich zu einer derartigen Annahme?« Dr. Stakewerths linke Hand rückte die makellos sitzende Krawatte zurecht. »In diesem Bonn muß man wirklich zu jeder Zeit mit einem Schlag aus dem Dunkeln rechnen.«
Lupus zog sein Notizbuch aus der Tasche. »Sie haben doch die Durchwahlnummer drei-sechs-sieben, oder stimmt das nicht?«
»Ja, allerdings.«
»Sehen Sie, und diese Nummer hat Irmela Ellers auch in ihren persönlichen Papieren stehen.« Lupus hatte keine Hemmungen, die Wahrheit zu relativieren und bluffte weiter: »Wir haben auch noch andere Aufzeichnungen bei ihr gefunden. – Sie wohnen in Bonn?«
»Nein, das heißt eigentlich ja, in gewisser Weise schon. Der Familienwohnsitz ist in Düsseldorf. Hier in Bonn habe ich nur ein Appartement im Rhein-Center. Meiner Frau und den Kindern wollte ich einen Umzug in die ja eher provinzielle Bundeshauptstadt nicht zumuten. Meine Frau liebt nun mal das Flair einer Großstadt mit Niveau, und die Kinder haben dort ihren adäquaten Freundeskreis.«
»Die von Ihnen gewünschte Diskretion wird nur dann möglich sein, wenn Sie sich auch zu Irmela Ellers äußern«, stellte Lupus ungerührt fest. »Wir müssen sonst alle Orte abklappern, an denen sie sich bewegt haben könnte; das heißt konkret: Bilder herumzeigen und indiskrete Fragen stellen. Dabei könnte Ihr Image leicht Schaden nehmen.«
»Das wird nicht nötig sein«, beeilte sich Dr. Stakewerth zu sagen und wechselte die Stellung.
»Also?« Lupus sah sein Gegenüber fragend an. »Haben Sie sich in Ihrem Appartement getroffen? Wie oft und zu welchen Konditionen?« Lupus blätterte in seinem Notizbuch und heftete den Blick auf die Zeilen, als ob er die
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