Schnee in Venedig
mir heute Morgen mitgeteilt, dass ein Attentat auf mich stattfinden soll», sagt Elisabeth. «Der Hofrat hatte entsprechende Unterlagen an Bord. Deshalb ist er ermordet worden.»
Inzwischen haben die Dienst habenden Geister die Kaiserin im Audienzraum entdeckt, und da Elisabeth nicht den Wunsch geäußert hat, den Raum zu verlassen, hat die Wastl
scaldini
herbeigeschafft. Einer steht zu ihren Füßen, der andere vor einem Sofa mit durchgesessener Polsterung, auf dem die Königseggs Platz genommen haben. Elisabeth sitzt am Schreibtisch des Kaisers.
«Ist das der Grund für diesen Einsatz?» Königsegg hat seineHände über dem
scaldino
ausgestreckt. Jetzt reibt er demonstrativ seine Finger aneinander, um anzudeuten, dass er lieber in der gut geheizten Suite der Kaiserin sitzen würde als im eisigen Audienzzimmer des Kaisers.
Elisabeth nickt. «Wir müssen jeden Ausgang anmelden. Zwei Tage vorher.»
«Was weiß man über diese … Attentatspläne?» Die Königsegg ist zusammengezuckt, als das Wort Attentat fiel.
«Überhaupt nichts», sagt Elisabeth. «Die Unterlagen, die der Hofrat in seinem Gepäck hatte, sind verschwunden. Der Täter konnte zwar gefasst werden, hat sich aber in einer Verhörpause erhängt. Er hat praktisch nichts gesagt.»
«Und das Mädchen?», fragt Königsegg. Der Graf hat sich inzwischen so weit über den
scaldino
vor seinen Füßen gebeugt, dass sein Oberkörper fast eine waagerechte Position eingenommen hat und er den Kopf in den Nacken drehen muss, wenn er mit der Kaiserin spricht. Das ist nicht die Haltung, in der ein Oberhofmeister mit der Kaiserin redet, aber Elisabeth ist ihm dankbar dafür, dass er das Gespräch in die richtige Richtung lenkt.
«Toggenburg hat gesagt, sie wäre ebenfalls erschossen worden. Weil sie eine Zeugin gewesen sei.»
«Aber sie ist erwürgt worden!», ruft die Königsegg empört aus. Die Gräfin will nicht als jemand dastehen, der Gerüchte kolportiert.
Elisabeth runzelt die Stirn. «Das würde bedeuten, dass irgendjemand Toggenburg etwas Falsches gesagt hat.»
Der Graf ist in dieser kleinen Runde der Spezialist fürs Militärische, formal betrachtet ist er immer noch Generalmajor. «Man erzählt seinem Vorgesetzten das, was er hören möchte», sagt er. «Und Toggenburg möchte das hören, was ihm einen Grund gibt, Maßnahmen zu ergreifen. Also wird der Oberst alles das in seinen Berichten weglassen, was nichtauf einen politischen Fall hindeutet. Etwa die Tatsache, dass das Mädchen erwürgt und vorher misshandelt worden ist. Wollen Kaiserliche Hoheit Toggenburg darüber aufklären?»
Elisabeth schüttelt den Kopf. «Erst wenn ich mehr weiß. Außerdem wird er mich nach meiner Quelle fragen. Und ich kann ihm schlecht sagen, dass meine Quelle der Verlobte meiner Zofe ist. Ein Militärangehöriger, der über diese Dinge vermutlich gar nicht sprechen darf.»
«Vielleicht sollte man mit diesem Commissario Kontakt aufnehmen», schlägt die Königsegg vor.
Königsegg macht ein skeptisches Gesicht. «Das wird nicht möglich sein, ohne dass Toggenburg davon erfährt.»
Elisabeth sagt: «Toggenburg schien auf diesen Tron nicht gut zu sprechen zu sein.»
Die Königsegg beugt sich überrascht nach vorne. «Sagten Sie
Tron
, Kaiserliche Hoheit?»
Elisabeth nickt. «Ich glaube, so hieß der Mann. Toggenburg hat den Namen erwähnt. Warum fragen Sie?»
«Weil wir eine Einladung zu einem Maskenball der Trons haben. Die Trons bewohnen einen Palazzo am oberen Ende des Canal Grande. Wir sind miteinander verwandt.»
«Wann?»
«Jetzt am Sonnabend.»
«Werden Sie hingehen?»
«Nun, falls Kaiserliche Hoheit …»
«Wie viele Trons gibt es in der Stadt?»
Die Königsegg zieht die Schultern nach oben. «Das weiß ich nicht. Aber es müsste festzustellen sein, ob es sich um dieselbe Familie handelt.»
Elisabeth nickt. «Wenn es so ist, ergäbe sich eine Möglichkeit, mit dem Commissario zu sprechen, ohne dass Pergen davon erfährt. Was aber nicht bedeutet, dass wir in der Zwischenzeit untätig sein sollten.»
«Und was schlagen Kaiserliche Hoheit vor?», fragt Königsegg.
«Dass wir versuchen sollten, möglichst viel von dem Burschen Pergens zu erfahren.»
«Ich könnte versuchen, die Wastl entsprechend zu instruieren, bevor sie sich mit ihrem Verlobten trifft.»
«Meinen Sie, die Wastl kann das? Die richtigen Fragen stellen und sich die Antworten merken?» Elisabeth macht kein Hehl aus ihrer Skepsis.
«Ich sehe keine andere
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