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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Sie Abzüge des Bildes vom Palazzo Tron brauchen. Der Pater fertigt auch Porträts an. Er war Weihnachten sogar in Wien, um den Erzbischof von Salzburg zu fotografieren.»
    «Dann stammt diese Fotografie vermutlich auch von Tommaseo.» Tron nahm das Bild des Hofrats vom Stapel und reichte es Sivry.
    «Wo haben Sie das her?»
    «Es lag unter dem Stapel», sagte Tron.
    «Die Aufnahme muss versehentlich in diesen Karton geraten sein. Ich werde sie Pater Tommaseo zurückgeben.»
    Tron lächelte verbindlich. «Vielleicht bitte ich den Pater um ein paar Abzüge unseres Hauses. Ich könnte gleich bei ihm vorbeigehen. Wenn Sie möchten, nehme ich ihm das Bild gleich mit.»
    Einen Augenblick lang befürchtete Tron, dass Sivry sein Angebot ablehnen würde, aber der sagte nur: «Ich werde Ihnen einen Umschlag dafür geben.»
    «Das wäre sehr freundlich.» An der Tür drehte sich Tron noch einmal um. «Falls Sie einen Kunden aus dem Ausland für das Bild finden sollten, könnte ich mit der Ausfuhrgenehmigung behilflich sein. Ich kann Ihnen bescheinigen, dass es sich um eine Kopie handelt.»
    Sivry lächelte. «Auf einem Briefbogen der Questura?»
    Tron nickte ernst. «Auf einem offiziellen Briefbogen der Questura.» Nachdem er das gesagt hatte, musste er heftig lachen, und Sivry fiel in seine Heiterkeit ein. Der Kunsthändler konnte gar nicht aufhören zu lachen, und während sich die Tür hinter ihm schloss, fragte sich Tron, was Sivry an seinem Hilfsangebot so komisch fand. Tron hatte immer wieder bemerkt, dass ihm der französische Humor fremd war.
    Als er die Piazza betrat, waren die Offiziere vor dem Café Quadri verschwunden. Auf der Höhe des Campanile kamen ihm zwei maskierte Damen in Reifröcken entgegen. Sie hatten hochgetürmte, gepuderte Frisuren und unterhielten sich lebhaft. Zweifellos kamen sie von einem Maskenball,der sich nicht in der Morgendämmerung aufgelöst, sondern bis in den späten Nachmittag gedauert hatte. Als sie näher kamen, hörte Tron, dass es sich bei einer der Damen um einen Mann handelte.
    Im venezianischen Karneval war fast alles gestattet. Niemand nahm Anstoß daran, dass Männer Maskenbälle in Frauenkleidern und Frauen Maskenbälle in Männerkleidern besuchten, und zweifellos gab es inzwischen auch unzählige Fotografien, die Frauen in Kniebundhosen und Männer in Reifröcken zeigten. Aber irgendetwas sagte Tron, dass es sich bei der Fotografie des Hofrats und der jungen Frau nicht um eine Karnevalsfotografie handelte.

19
    Elisabeth ist die Treppen hochgeeilt und hat die Flügeltür zum Audienzraum des Kaisers so schnell aufgerissen, dass niemand ihr beim Öffnen zuvorkommen konnte. Im Audienzraum ist sie zum Fenster gelaufen und hat, atemlos vor Wut auf Toggenburg, die Gardine zur Seite gezogen.
    Die uniformierten Soldaten auf der Basilika und dem Uhrenturm haben sich nicht vom Fleck gerührt. Auch die Soldaten in Zivil sind noch da. Sie stehen in kleinen Gruppen auf der Piazza und gucken sich unsicher um. Elisabeth kann sich vorstellen, was die kommandierenden Offiziere jetzt überlegen: Wird die Kaiserin zurückkommen, oder ist der heutige Ausflug beendet? Zwei uniformierte Offiziere gehen von Gruppe zu Gruppe und geben Anweisungen. Toggenburg ist nirgendwo mit bloßen Augen zu entdecken, aber Elisabeth weiß, dass er auf der Piazza ist und den Einsatz beobachtet hat.
    «Das Fernrohr.» Elisabeth streckt ihre Hand nach hinten aus, ohne ihren Blick von der Piazza zu nehmen.
    Sie braucht ein paar Sekunden, um scharf zu stellen, und dann bewegt sich ein kreisrunder Ausschnitt über den Platz, es ist, als würde sie selber auf der Höhe des ersten Stockwerks über die Piazza schweben. Der Ausschnitt gleitet über zwei Kinder, die Tauben nachjagen, und über einen Maroniverkäufer, der einem Leutnant der Linzer Ulanen eine Tüte heiße Kastanien verkauft.
    Den Stadtkommandanten entdeckt sie vor dem Café Quadri, eingerahmt von einem halben Dutzend seiner Offiziere. Vermutlich ist auch dieser Oberst Pergen dabei, denkt Elisabeth, aber sie weiß es nicht. Sie hat diesen Pergen nie gesehen. Der Stadtkommandant nimmt den Rapport eines seiner Offiziere ab. Als der Mann fertig ist, grinst Toggenburg breit, und sie sieht, wie er dem Mann auf die Schulter klopft.
    Elisabeth dreht sich so abrupt um, dass ihr Fernrohr fast die Nase der Königsegg streift. Der Graf und die Gräfin haben nicht verstanden, was sich in der letzten halben Stunde ereignet hat, und erwarten Aufklärung.
    «Toggenburg hat

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