Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
Tron.
    «Vierhundertfünfzig, und Sie geben mir eine Quittung über achthundert», entgegnete Sivry. Er hatte das Bild sorgfältig untersucht und festgestellt, dass es sich um eine Kopie handelte. Er fragte sich, ob Tron es auch wusste.
    «Einverstanden», sagte Tron.
    Aha, er wusste es. Sivry streckte Tron die Hand entgegen. «Also fünfhundert.» Er hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen. «Möchten Sie einen Blick auf die Fotografien werfen?»
    Tron nickte. «Gerne.»
    Er trat vor den Tisch, auf dem graue Schachteln mit Fotografien standen – keine Fotografien im gängigen Carte-de-Visite-Format, sondern im Format eines Briefbogens, wobei jede einzelne Fotografie auf Karton aufgezogen und mit einem Passepartout versehen worden war. Einer der Kartons enthielt sepiafarbene Ansichten von Gebäuden, die den Canal Grande säumten.
    Die fotografische Reise begann am Bahnhof und bewegte sich auf der linken Seite des Canal Grande in Richtung Piazza. Nicht nur die prominenten Palazzi des Canal Grande schienen das Interesse des Fotografen erregt zu haben. Tronentdeckte den Palazzo da Mosto und das kleine Lagerhaus am Traghetto Garzoni, und auch der neuen gusseisernen Brücke an der Accademia war eine Aufnahme gewidmet.
    An der Piazza hatte der Fotograf kehrtgemacht und sich der rechten Seite des Canalazzo zugewandt. Tron sah eine Fotografie der Dogana und des Palazzo Dario (die Salute fehlte), dann kam ein Bild des Palazzo Balbi-Valier, des Palazzo Foscari und des Palazzo Pisani-Moretta. Tron fragte sich, während er eine Fotografie nach der anderen aus dem Karton hob, ob der Fotograf auch den Palazzo Tron in die Sammlung seiner Motive aufgenommen haben mochte. Und tatsächlich lag unter der Fotografie von San Stae eine Fotografie des Palazzo Tron, mit seiner bröckelnden Fassade, dem kleinen und dem großen Wassertor, davor die Gondel der Contessa. Albernerweise erfüllte ihn der Anblick mit Rührung und zugleich mit einem Gefühl der Sympathie für den unbekannten Fotografen, der den Palazzo Tron für wert befunden hatte, in seine Galerie aufgenommen zu werden.
    Tron legte die Ansicht des Palazzo Tron zur Seite und sah, dass nur noch eine Fotografie übrig geblieben war. Er hatte ein Bild des Fondaco dei Turchi erwartet oder eine Ansicht von San Simone Piccoli, stattdessen zeigte die letzte Fotografie (die wohl versehentlich in die Serie geraten war) eine junge Frau und einen älteren Mann, die vor einer gemalten Gondel standen und sich an den Händen hielten. Beide trugen Kostüme des
Settecento
, der Mann Kniebundhosen, eine Perücke und ein Spitzenjabot, die Frau einen Reifrock. Die junge Frau hatte Tron nie gesehen, aber bei dem Mann hätte er schwören können, dass er ihm schon einmal irgendwo begegnet war. Aber wo?
    Tron brauchte eine halbe Minute, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass die Begegnung erst vor kurzem stattgefunden hatte, eine weitere halbe Minute, um zu erkennen,dass es sich um Hofrat Hummelhauser handelte. Der Hofrat und die junge Frau hatten die übliche, leicht verkrampfte Haltung von Leuten eingenommen, die für eine Fotografie posieren – wegen der langen Belichtungszeiten durfte man sich vor der Kamera nicht bewegen.
    Während die Miene des Hofrats den Stolz auf die junge Frau an seiner Seite nicht verhehlen konnte, hatte die junge Frau einen verlegenen Gesichtsausdruck – fast so, als würde sie etwas Verbotenes tun. Wer war sie? Eine Karnevalsbekanntschaft? Offenbar musste es sich um mehr gehandelt haben, denn mit einer flüchtigen Karnevalsbekanntschaft hätte der Hofrat kein Fotoatelier aufgesucht. War sie seine Verlobte? Hatte Hummelhauser die Absicht gehabt, eine wesentlich jüngere Frau zu heiraten? Oder war die attraktive junge Frau an der Seite des Hofrats seine Geliebte?
    Die Stimme Sivrys riss Tron aus seinen Betrachtungen. «Gefallen Ihnen die Fotografien, Commissario? Es ist auch eine Fotografie des Palazzo Tron dabei. Tommaseo meint, man könnte eine Serie zu zwölf Fotografien in einer hübschen Mappe herausbringen.»
    Trons Augenbrauen zogen sich ruckartig nach oben. «Sagten Sie
Tommaseo

    «So heißt der Fotograf, der mich beliefert.»
    «
Pater
Tommaseo?» Tron war sich ziemlich sicher, dass auf der Passagierliste auch ein Priester gestanden hatte. Ein
Pater
Tommaseo.
    Sivry nickte. «Pater Tommaseo von San Trovaso. Er hat sich im Pfarrhaus ein Fotoatelier eingerichtet. Jede Lira, die er verdient, geht an die Armenkasse der Gemeinde. Besuchen Sie ihn ruhig, wenn

Weitere Kostenlose Bücher