Schneeballflirt und Weihnachtszauber
wirklich für meine Cousine. Wenn man selbst glücklich verliebt ist, will man, dass alle anderen auch glücklich verliebt sind. Und Melli, die zu Weihnachten mit einer fiesen Stiefmutter samt Baby beschenkt wird, hatte wirklich ein bisschen Glück verdient. »Wann? Wo? Wie heißt er?«
»Steffen heißt er. Ist das nicht der schönste Name der Welt?«
Ich lachte. »Für dich auf jeden Fall! Wann trefft ihr euch?«
Hastig blickte Melli auf die Uhr. »Ich muss los! Die S-Bahn – «
»Ihr trefft euch in der Stadt?«
»Auf dem Weihnachtsmarkt! Ist das nicht genial?« Melli fiel mir um den Hals. »Ich könnte die ganze Welt umarmen, Katinka! Versprich mir, dass du die Klappe hältst!«
»Ich schweige wie ein ganzer Friedhof«, versicherte ich. »Aber Moment mal – was sage ich deinem Vater, wenn er dich vermisst?«
»Ist mir völlig schnu … – nein, sag ihm, ich wünsche ihm einen schönen Abend mit seiner Freundin!«
Verdutzt starrte ich auf die Stelle, an der Melli gerade gestanden war. Sie rannte die Treppe runter, ich hörte, wie Popeye hinter ihr her bellte, dann krachte die Haustür ins Schloss, dann war Stille.
Melli wünschte ihrem Vater einen schönen Abend … so was aber auch! Das konnte nur bedeuten, dass sie verdammt glücklich war. Klar, Liebe macht froh. Sie wollte ja auch die ganze Welt umarmen, was definitiv die zukünftige Stiefmutter mit einschloss. Und das Baby. Ob sie es hüten musste, wenn die Erwachsenen mal ausgehen wollten? Bestimmt musste sie es hüten, Melli hatte das richtige Alter zum Babysitten.
Da fiel mir ein, Flori zu fragen, ob er Geschwister hat. Ich musste ihn auch vor meinen frechen Schwestern warnen. Und ihn auf meine Großfamilie vorbereiten.
Ob Flori Angst vor Hunden hatte?
Oder er allergisch auf Katzenhaare reagierte?
Im Frühling würde ich ihm Traktorfahren beibringen. Konnte er reiten?
Ich seufzte. Es gab so vieles, was ich von ihm nicht wusste. Eigentlich wusste ich nur seinen Namen und dass er eine nette Mutter hatte. Eine sehr nette sogar; sie war fast so nett wie meine.
Und natürlich wusste ich, dass er in der mit der S-Bahn zu erreichenden Stadt wohnte und in naher Zukunft in die Pampa ziehen würde.
Plötzlich wurde mir eiskalt: Wie würden wir uns dann treffen?
Flori wollte nicht in die Pampa ziehen, er durfte es einfach nicht! Ich musste ihn unbedingt fragen, wie weit entfernt sein neuer Wohnort sein würde – nicht, dass unsere Liebe an Weihnachten endete! Das würde ich nicht überstehen, nicht, wenn Melli einen Freund hatte!
Line und Lene platzten ins Zimmer und wollten mich zum Plätzchenbacken holen. »Geht nicht, ich muss lernen«, wehrte ich ab. Es tat mir sehr leid, dass ich nicht mitbacken konnte, aber seitdem ich jeden Nachmittag auf dem Marktplatz stand, hatte ich die Schule ziemlich vernachlässigt. Noch einmal eine Ehrenrunde zu drehen war ausgeschlossen. Die Blamage wäre ungeheuerlich!
Ich knobelte gerade eine knifflige Matheaufgabe aus, als meine Mutter ins Zimmer kam.
»Ach, du lernst?«, meinte sie so erstaunt, als wäre es das Ungewöhnlichste der Welt.
»Was sollte ich sonst tun?«
Sie zog einen Stuhl heran. »Katinka, in der vergangenen Woche warst du keinen Nachmittag zu Hause. Was machst du an den Nachmittagen, Katinka?«
»Also wirklich!«, spielte ich die Empörte. »Ich bin in Weihnachtsangelegenheiten unterwegs; alles dient einem guten Zweck.« Das war nicht gelogen; das Geld diente der Flucht vor meiner Familie!
»Bist du mit Melli zusammen?«, forschte meine Mutter weiter. »Oder hast du dich verliebt, Katinka? Wenn ja, will ich den Jungen kennenlernen. Hast du mich verstanden?«
Jetzt saß ich bös in der Tinte! »Wie kommst du auf die Idee, ich könnte mich verliebt haben?«
»Es wäre eine naheliegende Erklärung für deine Abwesenheit«, sagte meine Mutter cool. »Hast du wieder einen Freund?«
Ich wand mich, aber ich kannte meine Mutter: Wenn sie mich so ansah und so beharrlich auf dem Stuhl klebte, würde sie mich bis zum Morgengrauen löchern. »Ja und nein«, antwortete ich zögernd.
»Wie muss ich das verstehen?«
»Ich kenne ihn noch nicht lange. Wie soll ich heute schon wissen, ob er in mich verliebt ist oder nicht?«
»Ich ahnte es; jetzt weiß ich es.« Meine Mutter trommelte mit den Fingern auf meiner Schreibtischplatte herum. »Machen wir es so, Katinka. Ich gebe dir eine Woche Zeit, dann stellst du mir deinen Freund vor.« Sie hob die Hand. »Keine Widerrede! Ich lasse mich auf keine
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