Schneebraut
»steh still« gleichzeitig sagen wollten. Er trat näher an sie heran, nahm sie in seine Arme und küsste sie innig.
Úlfur, der Regisseur des Stückes, applaudierte, und das Klatschen echote im Saal.
»Phantastisch. Ich glaube, wir sind für Samstag fast bereit.« Der Abend war schon fortgeschritten, die Probe hatte bereits um fünf Uhr begonnen.
»Das wird sich noch zeigen«, sagte eine entschlossene Stimme vom Balkon, wo Hrólfur, der Vorsitzende des Theatervereins, und Pálmi, der Autor des Stückes, saßen und die Probe mitverfolgten. »Das wird sich noch zeigen«, wiederholte Hrólfur.
Ugla und Karl standen noch immer auf der Bühne und warteten auf weitere Anweisungen des Regisseurs. Hrólfur schien ihn aus der Bahn geworfen zu haben.
Die Proben fanden im Kinosaal an der Aðalgata statt, wo das Theaterstück auch aufgeführt werden sollte. Im Eingangsbereich an der Wand hingen alte, schwarzweiße Werbeplakate aus den Anfangsjahren des Theaters, aus der Mitte des letzten Jahrhunderts.
Von der Haupttür aus führte ein Gang direkt in den Kinosaal hinein. Wenn man dort eintrat, wurde die Bühne sichtbar, und linker Hand befand sich eine Treppe zum Balkon. Im Saal waren Stühle aufgestellt worden, alles war für die Premiere am Samstag vorbereitet.
***
Karl eilte mit wenigen Schritten von der Bühne. Er stand einen Augenblick still und wartete darauf, dass der Regisseur die Probe offiziell beenden würde. Es war überflüssig, Úlfur so kurz vor der Premiere noch unnötig zu beleidigen; er genoss es offensichtlich, der Boss zu sein – es war eben seine Inszenierung. Der Einzige, der ihm, dem herausragenden Schauspieler, keinen Respekt zollte, war der Vorsitzende des Theatervereins, der wie eine graue Katze bei den Proben mit dabei war – er saß oben auf den Rängen und verfolgte alles mit, sagte nur wenig, ließ aber gerne vernichtende Kommentare fallen.
Ja, Úlfur genoss es, den Boss zu spielen, und Karl genoss es, auf der Bühne zu stehen, auf die Zuschauer hinunterzuschauen, auf das Publikum – er war der Star, solange er auf der Bühne stand, ergötzte sich an der Aufmerksamkeit, den Scheinwerfern, die ihn ins rechte Licht rückten, dem Applaus. Er war unendlich froh, die Hauptrolle bekommen zu haben – noch mehr Minuten im Rampenlicht.
Er nahm sein Handy aus der Hosentasche und sandte Linda, seiner Frau, eine SMS : »Immer noch bei der Probe, noch ungefähr eine Stunde. Sehen uns heute Abend.« Das war gefährlich, doch er fühlte sich immer dann am besten, wenn er mit dem Feuer spielte.
Es war ein halbes Jahr vergangen, seit Linda und er nach Norden in die Wohnung in der Þormóðsgata gezogen waren. Es war eine Mietwohnung, die Linda von ihrem Einkommen als Krankenschwester im Krankenhaus bezahlte.
Karl erhielt keine Antwort von Linda. Sie hatte Schicht, deswegen konnte sie ihm wahrscheinlich nicht antworten. Es war von Vorteil, die Probe als Ausrede vorschieben zu können, falls sie in der nächsten Stunde anrufen sollte – würde sie keine Antwort erwarten. Er schrieb eine weitere SMS , diesmal aber nicht an Linda.
»Ich glaube, dass wir dann für heute hier Schluss machen«, sagte Úlfur in formellem Ton wie einer, der das Sagen hat. »Wir sehen uns dann morgen. Reserviert euch den ganzen Abend dafür. Es muss perfekt werden.« Fügte dann hinzu, um es noch einmal zu betonen: »Perfekt.«
Karl verabschiedete sich rasch und verschwand in die dunkle Nacht hinaus.
***
Pálmi schlenderte vom Balkon herab und begegnete Úlfur, der gerade den Saal verlassen wollte. Beide waren Rentner, und beide hatten in der Arbeit für das Theater ein neues Aufgabengebiet gefunden – Pálmi war ehemaliger Grundschullehrer, und Úlfur hatte früher im Auswärtigen Dienst gearbeitet.
»Wollen wir uns zusammensetzen und die Lage besprechen?«, fragte Úlfur. Er schaute die Treppe hoch und wartete darauf, dass Hrólfur herunter käme. »Hrólfur lädt uns vielleicht zu sich nach Hause zu einem leichten Wein und einem guten Gespräch ein.«
Er schmunzelte, senkte die Stimme und fügte dann hinzu: »Oder zu einem guten Wein und einem leichten Gespräch!«
»Leider«, sagte Pálmi betrübt. »Diesmal nicht – ich habe heute Morgen Besuch bekommen.«
»Besuch?«
»Ja, eine alte Dame aus Dänemark – sie heißt Rósa. Sie ist heute Morgen mit ihrem Sohn hier angekommen, sie werden für eine gute Woche bei mir wohnen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren war, ihnen zuzusagen.«
»Ach so – und musst
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