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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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darauf gesetzt, Handwerker zu werden. Die beiden Brüder hatten schon früh beschlossen, Leifur war damals gerade einmal zehn Jahre alt, dass sie zusammen in Siglufjörður eine große Werkstatt eröffnen würden – das waren spannende Zukunftsaussichten für einen Zehnjährigen, der nichts Besseres kannte, als seine Zeit mit Hammer, Brettern und einer Säge in der Garage zu verbringen, und der wusste, dass er einen älteren Bruder hatte, der immer sein Wort hielt.
    Doch wie so vieles andere, wurde es nichts aus diesen schönen Versprechen.
    Leifur hatte die Berufsschule in Akureyri besucht und anschließend zu Hause in der Þormóðsgata eine kleine Werkstatt aufgemacht. Im Haus gab es zwei Wohnungen, und Leifur hatte die im oberen Stockwerk gekauft. Sie war in der Größe genau richtig für einen alleinstehenden Mann – der dennoch nicht alleine lebte, sondern mit einem treuen Labrador. Leifur hatte sich ein Zimmer als Werkstatt eingerichtet und nahm einzelne Aufträge an; der Stundensatz war bei ihm viel niedriger als bei seinen Kollegen im Süden, doch die Nachfrage war dennoch nicht besonders groß. Hier ging alles etwas ruhiger zu als in größeren Ortschaften, hier konnten die meisten Leute sich noch die Zeit nehmen, um selbst etwas auszubessern, ohne sich an einen Fachmann wenden zu müssen. Leifur gab aber nicht auf – er betrieb die Werkstatt auch in seiner Freizeit weiter. Das hätte sein Bruder so gewollt.
    Er musste sich allerdings auf die Tankstelle verlassen, wenn es um sein festes Einkommen ging. Seit er nach der Ausbildung nach Siglufjörður zurückgekommen war, hatte er beinahe ohne Unterbrechung dort gearbeitet. Es war für ihn nie in Frage gekommen, sich in Akureyri niederzulassen; nein, er wollte seine Eltern nicht im Stich lassen. Das war zu Hause eigentlich nie diskutiert worden. Es lag seinen Eltern fern, ihn unter Druck zu setzen, wieder nach Hause zu ziehen – doch er wollte ihnen den Schmerz ersparen, indem er einfach wegzog. Sie sollten nicht noch einen Sohn verlieren müssen.
    Und hier fühlte er sich wohl, hier war er zu Hause. Er genoss es, etwas anzufertigen, wenn die Gelegenheit sich ergab. Es war, als ob er sich dann in einer anderen Welt befände – seiner eigenen Welt –, wo nichts ihn stören konnte. Zudem hatte er auch noch das Theater – dort erhielt er die Gelegenheit, seine verschiedenen Interessen auszuleben. Er war natürlich dafür verantwortlich, jedes Jahr die Kulissen zu bauen, und verfügte innerhalb des Rahmens, den Hrólfur und Úlfur vorgaben, über viele Freiheiten. Äußerst vielschichtige Charaktere – die beiden. Sie hielten an ihren Ideen fest. Leifur hatte wenig Lust, das Szepter in die Hand zu nehmen – er überließ es gerne anderen, die Leitung zu übernehmen.
    Leifur hatte bei jedem einzelnen Stück, bei dem er mitgearbeitet hatte, die Gelegenheit bekommen, selbst auch auf der Bühne zu stehen. In einer kleinen Theatertruppe mussten alle auf verschiedene Weise mit anpacken – er war die zweite Besetzung, falls der Hauptdarsteller ausfallen sollte, bekam aber zusätzlich noch ein paar Zeilen, die er sorgfältig einübte, bis er sie vor-und rückwärts konnte. Er litt immer an großem Lampenfieber, doch das gehörte eben dazu, wenn man Mitglied des Theatervereins war.
    Seine größte Rolle spielte er aber stets hinter den Kulissen.
    Er begann jeden Tag damit, mit dem Hund Gassi zu gehen. Am Ende seines Arbeitstages bei der Tankstelle ging er jeweils direkt ins Schwimmbad, wenn auch nicht, um zu schwimmen – das überließ er anderen –, sondern wegen des Krafttrainings. Dort begegnete er häufig ein paar Stammgästen, auch wenn die wenigsten so starke Gewohnheitstiere waren wie er. Die Jungs aus dem Fußballteam waren oft dort, jünger als er, aber auch Leute, die er kannte, so wie seine Nachbarn von unten, Kalli und Linda. Es war ein guter Ort, um die Sorgen des Alltags zu vergessen, sich zu entspannen und Energie zu sammeln für den abendlichen Spaziergang mit dem Hund und der Handwerksarbeit danach. Es spielte nicht unbedingt eine Rolle, ob er einen Auftrag bekommen hatte oder nicht, die Abende wurden dazu benutzt, etwas anzufertigen – er konnte im schlimmsten Fall einen Gegenstand für sich selbst herstellen oder ein Geschenk.
    Ja, hier in Siglufjörður fühlte er sich wohl. Außer am fünfzehnten Januar. Diesen Tag des Jahres 1986 würde er nie vergessen.
    Es hieß, dass die Zeit alle Wunden heile, doch Leifur war davon nicht mehr

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