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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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ein undefinierbares Umhergehen, dumpfe Geräusche, es war offensichtlich, dass, wer auch immer da unten war, kein Interesse daran hatte, auf sich aufmerksam zu machen.
    Ari fluchte stumm.
    Warum zum Teufel hatte er nur die Haustür unverschlossen gelassen? Eine bescheuerte Naivität zu glauben, dass das auf Dauer gutgehen könnte.
    Er hätte nie auf Tómas hören sollen.
    Er ging die Treppe hinunter und achtete darauf, nur auf wenige Stufen zu treten, wusste, dass einige Stufen knarrten, hatte aber keine Ahnung, welche es waren.
    Er zögerte, bevor er auf der Treppe um die Ecke schlich, die letzten Stufen hinunter und in den Flur im unteren Stock. Hier war er sicher, hatte einen bestimmten Vorteil; er wusste um den ungebetenen Gast, konnte ihn überraschen. Einen Augenblick lang wäre er jedoch am liebsten einfach stehen geblieben.
    Trotz des ganzen Trainings verspürte er Angst.
    Er hatte keine Ahnung, wen er hier antreffen würde – war es eine Person oder waren es mehrere? Ein heruntergekommener Vagabund auf der Suche nach einem Schlafplatz, ein Einbrecher oder vielleicht jemand, der ihm einfach etwas antun wollte?
    Ein Schaudern überkam ihn bei dem Gedanken, dass jemand mitten in der Nacht in seinem Haus herumschlich.
    Zum Teufel nochmal.
    Sämtliche Lichter waren ausgeschaltet, die einzige Lichtquelle, die es ihm erlaubte, überhaupt etwas zu sehen, war der Schein der Straßenlaterne, der durch das Fenster am Ende des Flurs hereinschimmerte. Die Tür ins Wohnzimmer war geschlossen, er wusste zudem, dass die Vorhänge zugezogen waren – es würde vollkommene Dunkelheit herrschen. Der Schurke hielt sich wahrscheinlich dort oder im kleinen Arbeitszimmer hinter der Küche auf, vielleicht sogar in der Küche selbst. Jetzt ging es um Leben oder Tod.
    Er öffnete die Wohnzimmertür so geräuschlos wie möglich. Die Tür war schwer; eine alte und dicke Holztür, weiß gestrichen mit geschnitzten Ornamenten. Die Scharniere waren offensichtlich seit Jahren nicht mehr geschmiert worden.
    Er spähte hinein; absolute Dunkelheit – er versuchte zu horchen, kein Geräusch. Er hielt einen Moment inne, den Türgriff noch immer in der Hand – wartete einen Augenblick. Wartete und lauschte in die Stille hinein …
    Nun bestand kein Zweifel mehr – ein leises Rascheln, wahrscheinlich aus dem Raum nebenan. Die Tür, die aus dem Wohnzimmer in die Küche führte, war geschlossen, so dass er nicht hören konnte, ob der ungebetene Gast sich in der Küche oder im kleinen Arbeitszimmer befand. Ein schwacher Lichtschimmer reichte bis ins Wohnzimmer hinein, solange die Tür zum Flur offen stand; deswegen unterließ er es, sie zu schließen, ging wenige Schritte in das Wohnzimmer hinein, schlich auf Zehenspitzen – passte auf, sich dem Gast gegenüber nicht zu verraten.
    Dann bemerkte er es.
    In der Spannung und der Eile hatte er vergessen, wie alt das Haus war – der Boden war nicht überall vollkommen gerade; so war es zum Beispiel schwierig, die Wohnzimmertür offen anzulehnen, ohne sie zu halten – sie schlug sonst immer gleich wieder zu.
    Er drehte sich um.
    Schnell, aber geräuschlos.
    Versuchte, sich nach der Tür zu strecken, doch ohne Erfolg.
    Sie hatte sich bereits bewegt, zielgerichtet und sicher, in Richtung des vollkommenen Gleichgewichtes.
    Der Knall, den sie von sich gab, als sie schließlich ins Schloss fiel, war nicht besonders laut, und doch wie ein Trommelschlag im Schweigen der Nacht.
    Verdammt.
    Er stand mitten im Wohnzimmer ganz still und hoffte, dass der Lärm nicht bis nach vorne getragen worden war, wusste aber sofort, dass dem nicht so war. Der Gast schien schnell zu reagieren, nun versuchte er nicht mehr, sich geräuschlos zu bewegen – wahrscheinlich rannte er auf dem kürzesten Weg Richtung Haustür – auf dem Weg nach draußen.
    Ich erwische ihn – ich muss ihn einfach erwischen.
    Ari hörte, wie die Außentür in dem Moment mit viel Lärm ins Schloss krachte, in dem er selbst in der Dunkelheit seines Wohnzimmers losrannte.
    Und dann kam der Schlag.

20. Kapitel
    Siglufjörður,
    Sonntag, 11 . Januar 2009
    Ugla saß am Klavier und spielte einen alten isländischen Schlager, ein leichtes Stück aus der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, das sie auswendig kannte und Hrólfur besonders gefallen hatte. Sie spielte es beinahe unbewusst, während sie auf Ari wartete – er war etwas spät.
    Es bereitete ihr immer noch Mühe zu glauben, dass Hrólfur tot war. Er schien im Vergleich zu seinem Alter so fit

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