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Schneebraut

Schneebraut

Titel: Schneebraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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schnell sein Herz während des ganzen Einsatzes geschlagen hatte; er spürte nun deutlich, wie er sich etwas entspannte; spürte erneut die Schmerzen in der Schulter.
    Sie baten Karl in das Büro, das für Verhöre benutzt wurde, auch wenn es dafür selten Bedarf gab. Ari wusste nicht, wie er Karls Miene zu deuten hatte. Er schien erstaunlich gefasst zu sein, verglichen mit den Umständen, sagte dann aber: »Brauchen wir denn lange dafür? Ich möchte so schnell wie möglich ins Krankenhaus.«
    »Wir versuchen, es schnell zu erledigen. Du kannst uns dabei helfen, indem du klar und präzise antwortest«, sagte Tómas und klärte Karl darüber auf, dass er als Zeuge vernommen wurde. Das Aufnahmegerät war eingeschaltet. Ari kritzelte etwas auf ein Blatt und schob es Tómas hin.
    »Könntest du mir bitte deine Jacke geben?«, sagte Tómas.
    Die Frage schien Karl zu überraschen. Er verstand nicht ganz.
    »Deine Jacke – kannst du sie bitte ausziehen? Und sie mir reichen?«
    Karl gehorchte, schien den kleinen Fleck sofort zu bemerken, der Aris Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, sagte aber nichts. Er gab Tómas die Jacke.
    »Wir müssen sie untersuchen lassen.«
    Ari nickte mit dem Kopf, stand auf und kam mit einer Tüte für die Jacke zurück.
    »Ist das Blut?«
    Karl schien sich von der Frage nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.
    »Ja, vermutlich.«
    Karl schwieg, bis Tómas das Schweigen unterbrach: »Weißt du, wie es auf deiner Jacke gelandet ist?«
    »Das scheint passiert zu sein, als ich nach ihrem Puls fühlen wollte. Da war ja alles voller Blut.«
    »Wann hast du Linda das letzte Mal gesehen?«
    »Heute Morgen.«
    »Ist sie zur Arbeit gefahren?«
    »Ja, sie hatte bis sechs Uhr Schicht.«
    »Weißt du, ob sie dann gleich nach Hause gegangen ist?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hast du tagsüber von ihr gehört?«
    »Nein, überhaupt nichts … Kann ich vielleicht im Krankenhaus anrufen?« Er war immer noch sehr beherrscht, wie jemand, der nichts zu verbergen hat, und Ari überkam das starke Gefühl, dass sie die Zeit auf den falschen Mann verschwendeten.
    »Ich rufe den Arzt nachher gleich an. Warst du um sechs Uhr nicht zu Hause?«
    »Nein.« Erneutes Schweigen.
    »Wo warst du?«
    »Beim Pokerspiel mit ein paar Kumpels. Immer mittwochs. Wir treffen uns zwischen fünf und halb sechs, wenn sie die Arbeit beendet haben – und spielen dann meistens bis zum Abend, aber nicht zu spät. Ein paar Biere, ein paar Runden.«
    »Sie können also bezeugen, dass du bereits vor sechs Uhr dort warst?«
    »Ja.« Karl zögerte, fügte dann hinzu: »Möchtest du ihre Namen?«
    »Ja, bitte.« Tómas schob ihm ein Blatt und einen Stift hin.
    Karl reichte ihm die Liste. Tómas sah sich die Namen an und sagte dann zu Ari: »Ich werde sie anrufen. Ich kenne sie.«
Ich kenne sie, du aber nicht. Auswärtiger
.
    Tómas stand auf.
    »Kannst du den Arzt anrufen?«, fragte Karl.
    Tómas nickte und verließ den Raum. Ari war sich nicht sicher, ob er das Verhör weiterführen, schweigen – oder einfach über dies oder jenes plaudern sollte.
    Unangenehmes Schweigen.
    »Möchtest du Kaffee?«
    Karl schüttelte den Kopf.
    »Gut beobachtet von dir, das mit der Jacke. Den Fleck. Ich hätte nichts bemerkt.«
    Ari wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Warum nur lobte ihn Karl? Wollte er sich wegen des Verhörs einschmeicheln?
Danke
. Sollte er sich bedanken?
    Er schwieg eine Weile und sagte dann: »Bist du dir sicher wegen des Kaffees?«
    »Ganz sicher.«
    »Das ist eine schlimme Wunde, die du da an der Stirn hast«, sagte Karl.
    Schweigen.
    »Was ist denn passiert?«
    »Nichts Ernsthaftes«, antwortete Ari kurz angebunden.
    Erneut unangenehmes Schweigen.
    »Schlechtes Wetter. Du bist das wahrscheinlich nicht gewöhnt.«
    Ari versuchte, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, es fiel ihm aber schwer, den Einfluss, den das Wetter auf ihn hatte, zu verbergen. Er hatte überhaupt keine Lust dort zu sein, wo er war; wollte lieber mitten auf der Wiese bei der Landakotskirche in Reykjavík stehen, nicht weit von seiner Wohnung in der Öldugata entfernt, an einem schönen Sommertag – sich dann ins Gras legen und den Himmel betrachten. Den hellen, klaren Himmel.
    Karl nahm seine Miene wahr. Ein schwacher Punkt.
    »Das kann unglaublich hart sein, ist schwer, sich daran zu gewöhnen. Es ist sogar für mich schwierig, und ich bin immerhin hier geboren. Es ist, als ob die Wände einen bedrängen bei einem solchem Wetter.« Er grinste schief.
    Zum

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