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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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biomathematischen Artikel nach dem anderen geschrieben und damit großes Aufsehen erregt. Mich brauchten sie nicht mehr, und als dann auch noch die Vierstreifennatter in die ewigen Jagdgründe einging, musste ich auch keine Ratten mehr in die Groenhazengracht bringen.«

Benachbarte Gärten
    S owohl Jouri als auch Toon wurden ruck, zuck auf Lehrstühle berufen. Sie bezogen stattliche Häuser im Wilhelminapark des Professorendorfs Oegstgeest, der gesprächige Toon in der Willem de Zwijgerlaan und Jouri – als Hommage an Julia? – in der Julianalaan. Aufgrund der eigenartigen Topografie dieses Reichenviertels mit seinen ebenso üppig begrünten wie kurvenreichen Straßen, in denen sich jeder arglose Bettler garantiert verirrt, grenzten die Gärten der beiden aneinander.
    Auch der Professor für Parasitologie, mein Vorgesetzter sozusagen, bewohnte dort ein großes Haus in der Prins Mauritslaan. Während der Sommermonate arbeitete er oft zu Hause, und ich fuhr abends manchmal zu ihm, um Institutsangelegenheiten zu besprechen. Dann konnte ich es mir nicht verkneifen, kurz an den Häusern von Toon und Jouri vorbeizuradeln. Wenn ich wieder den kräftigen Duft der auch dort überall blühenden Ligusterhecken roch, kehrte der süße Schmerz jener Augusttage nach dem Abitur wieder. Oft sah ich für einen kurzen Moment einen von ihnen in den benachbarten Gärten. Sie saßen, umgeben von qualmenden Kerzen, im Garten von Julia und Toon oder in dem von Frederica und Jouri, und man hörte das leise Zischen des Grills. Dann wusste ich, dass sie dort Ekelschnaps aus Flaschen tranken, in denen Larven schwammen.
    Ich war jedes Mal erstaunt darüber, dass mir dies quälenden Herzschmerz bereitete, obwohl mir seit Langem klar war, dass ich im Grunde wenig mit ihnen gemein hatte. Es war vollkommen undenkbar, sich mit einem von ihnen Mirages oder L’Horizon chimérique von Fauré anzuhören, ganz zu schweigen davon, dass man einen von ihnen, während die anderen lauschten, auf dem Klavier bei einer Violin- oder Cellosonate desselben Komponisten begleiten könnte. Fauré war damals mein absoluter Lieblingskomponist; das ist er eigentlich noch immer, aber damals war er es in besonderem Maße. Damals schien es, als würde dieser quälende, nutzlose Herzschmerz in den Werken Faurés so adäquat ausgedrückt, dass ich ihn beherrschbar machen konnte, indem ich eine der dreizehn nicht genug zu rühmenden Barcarolen und Nocturnes einstudierte.
    Bei akademischen Feierlichkeiten kamen Toon und Jouri – beide aufgrund des vielen Larvenlikörs und ihrer sessilen Lebensweise von einem Promotionsempfang zum nächsten ein wenig mehr aufgedunsen – oft strahlend auf mich zu, als wären wir unverändert beste Freunde.
    »Immer noch so besessen von Musik?«, fragte Toon mich einigermaßen besorgt nach der Promotion einer seiner Schüler, der über »biomathematical dynamic aspects of host-parasite-relations« geschrieben und den dynamischen Teil seiner Forschungen im parasitologischen Labor durchgeführt hatte.
    »So, wie du die Frage stellst, hört es sich an, als informiertest du dich nach einem hartnäckigen, nicht ungefährlichen Leiden«, entgegnete ich.
    »Ach, Musik ist Zeitverschwendung. Je früher du das einsiehst, umso besser. Nicht mehr lange, dann kannst du sämtliche Musik von ... nenn mir mal einen ... die meisten Namen der Kerle beginnen mit einem B, schon das gibt zu denken ... los, nenn mir mal einen«, sagte er zu Jouri.
    »Mozart«, erwiderte der.
    »Irgendwann kannst du die ganze Musik von Mozart in einen Computer eingeben. In Anbetracht der Tatsache, dass Komponieren – selbst wenn, wie ich annehme, erhebliches Rauschen mit vielen Randvariablen dabei ist – nicht in den grenzenlosen Gebieten der Randomprozesse angesiedelt ist, sollte ein Computer nicht nur in der Lage sein, die differenzierten Stilmerkmale innerhalb nicht allzu weit gesteckter Zeitmargen zu berechnen, es müsste ihm auch möglich sein, danach selbst überragende Mozartmusik zu generieren.«
    »Zweifellos«, stimmte ihm Jouri zu.
    »Vergleich es mit Schach«, fuhr Toon fort. »Dieses Spiel beherrscht der Computer schon jetzt besser als eine Stichprobe aus allen Spielern, die aus Populationen gleich unterhalb der Teilmenge der Großmeister ausgewählt wird. Und irgendwann werden auch alle Großmeistermengen vom Brett gefegt werden. Ebenso wird der Computer irgendwann auch mit allen Komponistenpopulationen gnadenlos abrechnen.«
    »Und auch mit den Dichtern?«,

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