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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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alles gut, sie schließlich doch unbesorgt in seine Arme schließen.
    Fünfhundertfünfundsiebzig eng bedruckte Schrecklichkeiten, hätte Blackmore nicht immer wieder wunderbare Beschreibungen der Natur Devonshires in seine Geschichte eingeflochten, genauer gesagt von der wilden Heidelandschaft Exmoors. Beim Lesen war mir, als sähe ich aus dunkelgrünen Bartflechten glitzernde Wassertropfen rinnen, als stünde mir sich windender Königsfarn, der sich unter schattigen Wasserfällen aufrecht zu halten versucht, vor Augen. Es war, als schwebten blutrote Heidelibellen aus den Seiten heraus auf mich zu. Alles, was auf der Grenze zwischen Wasser und Land und im Schlamm sprießt und lebt und was ich als Kind so bedingungslos geliebt habe, das hat er so genau wie möglich beschrieben, ohne sich auch nur eine Sekunde darum zu scheren, dass die meisten Leser solch ausführliche Naturbeschreibungen nicht nur langweilig finden, sondern sogar überspringen. Immer auf der Suche nach den lyrischen Naturbeschreibungen, überflog ich die erzählenden Passagen über John Ridd, den Bauernsohn, also nur und verlor trotzdem mein Herz an Lorna.
    Und dazu bedurfte es nicht viel. Welch ein erstaunliches Kleinod war dem Schöpfer da gelungen! Oder, wie sie es selbstironisch ausdrückte: »Hab ich vielleicht ein Schwein, dass ich so ein hübsches Gesicht hab; ansonsten hab ich nämlich kaum was zu bieten. Wie soll das erst werden, wenn ich später mal ebenso viele Runzeln habe wie ein Teich im Wind?« Als sie mir dies anvertraute, funkelten ihre hellblauen Augen wie sonnenbeschienene Tropfen an den Spitzen schmelzender Eiszapfen. Auf den ersten Blick sah sie aus wie eine echte Biologin. Sie war immer angezogen, als könnte sie sofort zu einer Exkursion ins Hochmoor aufbrechen, doch sehr bald stellte sich heraus, dass sie die weiten Pullover, die verwaschenen Jeans und die klobigen Stiefel nur deshalb trug, weil sie wie eine Biologin aussehen wollte.
    Dummerweise hatte sie das Fach Biophysik gewählt. »Das hat Zukunft, hat mein Biologielehrer gesagt«, erzählte sie mir, »also habe ich mich dafür eingeschrieben. Aber das habe ich schon bald bereut, denn die Biologen gingen ständig schön auf Exkursion, während wir in dem dämlichen biophysischen Labor saßen. Und beim schönsten Sonnenschein mussten wir uns mit Chlorophyll und Ultrazentrifugen rumschlagen, oh, wie neidisch ich auf die anderen Studenten war. Ich wollte Pflanzen kennenlernen, aber von wegen, das konnte ich mir in diesem Fach abschminken.«
    »Aber das kannst du doch leicht nachholen.«
    »Wie denn?«
    »Indem du nachträglich mit jemandem auf Exkursion gehst, der sich mit Pflanzen auskennt.«
    »Und wo finde ich so jemanden?«
    »Ab und zu hätte ich dafür Zeit.«
    Zunächst machten wir in der Mittagspause eine Exkursion zum alten Friedhof am Groenesteeg. Anschließend gingen wir zum Leidse Hout, wo es fünf Fledermausarten und hundertvierzig verschiedene Pilze gibt. Sie war wirklich interessiert, sie wollte alle Pflanzen kennenlernen, alle Moose und Farne und was wir sonst noch so auf unserem Weg sahen.
    Als wir zusammen durch den Van-het-Werff-Park gingen, arbeiteten Männer vom Grünflächenamt an einem Baum. Sie ging auf sie zu und fragte: »Was machen Sie da, meine Herren?«
    »Wir graben einen toten Baum aus, schönes Kind.«
    »Wie seltsam«, erwiderte sie, »wenn ein Mensch stirbt, vergräbt man ihn in der Erde, stirbt aber ein Baum, dann wird er ausgegraben.«
    Die drei Gärtner stellten die Arbeit ein, stützten sich auf ihre Schaufeln, sahen einander erstaunt an und runzelten die Stirn.
    Wir gingen weiter, beugten uns über die unscheinbaren Köpfchen des Kanadischen Berufskrauts, besprachen das Maßliebchen und schauten uns noch mal unauffällig um. Noch immer standen die Männer da, als wären sie erstarrt. Nur der Rauch ihrer Selbstgedrehten kringelte sich in die Höhe.
    »Du hast sie verwirrt«, sagte ich, »und jetzt wissen sie nicht mehr, wo sie dran sind.«
    Sie lachte ihr volles fröhliches Lachen. Sie war eine Schönheit, doch ach, an nichts gewöhnt man sich so schnell wie an Schönheit. Aber so ein wunderbares Lachen, daran gewöhnt man sich nie, das bleibt immer ein Quell des Entzückens.
    Auf der Suche nach anderen Pflanzen als dem Kanadischen Berufskraut gingen wir durch das Leidse Hout. Ein Rottweiler folgte uns knurrend. Lorna drehte sich zu dem Hund um: »Wo ist dein Herrchen?« Das Herrchen kam herbeigeeilt, offensichtlich einigermaßen

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