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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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Abend im Städtischen Konzerthaus aufgeführt werden sollte.
    Als wir im allmählich einsetzenden Zwielicht die Treppe zum zoologischen Laboratorium hinuntergingen, seufzte Julia plötzlich: »Wieder einen Abend allein.«
    »Wo ist Rudi denn?«, fragte ich sie.
    »Es ist aus«, erwiderte sie tonlos.
    Ich verstand sie nicht richtig und meinte zu hören: »Er ist aus.« Erst als ich, mein Fahrrad schiebend, im milden, hellen Dämmerlicht neben ihr herlief, drang es zu mir durch, dass sie »Es ist aus« gesagt hatte.
    Bis zur Breestraat ging ich mit ihr. Ich brachte kein Wort über die Lippen. Sie sagte: »Es sieht fast so aus, als würdest du mich begleiten.«
    In mir stritten so widersprüchliche Gefühle miteinander, dass ich nicht wusste, was ich erwidern sollte.
    Sie sagte: »Es ist besser, du gehst jetzt. Ich muss allein sein, ich muss meine Gedanken ordnen, ich muss das erst verarbeiten.«
    »Ist gut«, sagte ich.
    Am Tag darauf saßen wir wieder hinter dem Vorhang, und Kareltje balzte exakt um neun Uhr auf ein Weibchen, dasselbe tat er zu jeder vollen Stunde, den ganzen Tag lang, als wollte er unsere heftigen Emotionen beschwören. An diesem Dienstagabend bin ich dann zu Rudi gegangen. Im Nachhinein denke ich, dass ich so vermessen war, mich in die Höhle des Löwen zu begeben, weil ich auch von ihm das Ende der Beziehung mit Julia bestätigt haben wollte.
    Rudi wohnte an der Ecke zur Oktoberstraat 3 in einem ehemaligen Ladenlokal. Im Schaufenster kochte er Kaffee. Er sagte: »Es ist schiefgegangen, ich habe sie nicht halten können.« Dann verglich er sich selbst mit einem blinden Gaul. Er berichtete, sie habe immer wieder zu ihm gesagt, sie fände mich viel netter als ihn. Er hielt mir vor, sie sei in mich verliebt und ich in sie. Dann verpasste er sich, als wollte er wiedergutmachen, dass er mich in Gulpen mit den Ellenbogen misshandelt und en passant einen Frosch zertreten hatte, ein paar wohlgezielte Ohrfeigen. Anschließend führte er aus, wie wunderbar sie küssen konnte. Ich erzählte ihm, dass sie den ganzen Tag über hinter dem Vorhang ein Papiertaschentuch nach dem anderen vollgeschnieft habe. Daraus schöpfte er neuen Mut. Nachdem ich gegangen war, ist er sogleich mit dem Fahrrad zu ihr gefahren.
    Julia berichtete mir am nächsten Tag, dass er sie am Abend noch besucht hatte. Worüber sie gesprochen haben – sie hat es mir nie gesagt, aber von etwelcher Traurigkeit war danach nichts mehr zu spüren. Das Einzige, was sie sagte, war: »Ich bin vorläufig nicht bereit für eine neue Beziehung.« Mich kümmerte das nicht, denn ich war davon überzeugt, dass sie mich netter fand als alle anderen Jungen, so wie auch ich sie netter fand als alle anderen Mädchen. Wenn das so blieb, würde das Ganze von allein ein gutes Ende nehmen.
    Auch bei der nächsten Übung, Pflanzenphysiologie, arbeiteten Julia und ich zusammen. Den ganzen Monat Mai und Anfang Juni sahen wir einander jeden Tag. Sie fuhr mit mir zu meinem Zimmer auf der Uiterste Gracht, ich fuhr mit ihr zu ihrem Zimmer an der Haarlemmertrekvaart. Dort hörten wir uns – denn sie hatte wahrhaftig Sinn für wirkliche Musik – jedes Mal eine der Suiten aus dem Ballett Romeo und Julia von Prokofjew an. Wenn ich diese Suiten heute höre, dann sitze ich wieder in ihrem Zimmer, und es ist, als müsste ich meine Augen wegen des glitzernden Sonnenlichts auf den Wellen der Trekvaart zukneifen.
    Aus den dafür in Betracht kommenden Buchstaben ihres Vor- und Nachnamens stellte ich ein Thema zusammen, auf das ich eine Fuge in E-Dur komponierte. Dies ist praktisch die einzige Komposition, die ich jemals geschrieben habe, und sie ist bestimmt nicht weniger gelungen als die Fugen, die Simon Vestdijk geschrieben hat. Julia jedenfalls war entzückt, als ich sie ihr auf dem Klavier vorspielte.
    Während der Übung Pflanzenphysiologie haben wir uns am Abend des 1. Mai versprochen – so feierlich, wie es in diesem Alter noch möglich ist –, dass wir, ganz gleich, was in Zukunft mit uns geschehen würde und mit wem wir eventuell unser Leben teilen würden, am 1. Mai des Jahres 2000 einen ganzen Tag miteinander verbringen wollten.
    »Daraus machen wir dann einen ganz wahnsinnigen Tag«, sagte Julia.
    Wie seltsam, dieses feierliche Versprechen! Als hätten wir damals bereits gewusst, dass wir, obwohl wir bei den Übungen ein ganz wunderbares Paar waren, das im großen Stil Einsen und Zweien einfuhr, unser Leben nicht miteinander teilen würden. Trotzdem war ich damals

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