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Schneeflockenbaum (epub)

Schneeflockenbaum (epub)

Titel: Schneeflockenbaum (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marten t Hart
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Vrouwenkerkkoorstraat. Sollen wir dorthin gehen?«
    Häuschen, dachte ich, sie hat schon ein Häuschen? Und da wurde mir bewusst, was ich eigentlich schon gleich zu Beginn bemerkt hatte: Das hier war kein leichtes Mädchen von zwanzig Jahren, das war eine erwachsene, etwa dreißigjährige Frau, die sich als zwanzigjähriges Flittchen verkleidet hatte.
    Mich kümmerte das nicht weiter und meine Männlichkeit erst recht nicht. Sie pochte unverwandt gegen den harten Stoff meiner Hose, sodass ich wie ein lahmes Huhn vorwärtsstolperte. Zum Glück war es nicht weit bis zur Vrouwenkerkkoorstraat.
    Sie schloss dort die Tür des dritten Häuschens auf: »Komm rein.« Als wir ins Wohnzimmer kamen, fragte sie: »Was hältst du von einer Tasse Tee?«
    Sie schaltete das Licht an. Wie alt sie trotz der vielen Schminke aussah! Und schön war sie auch nicht gerade, auch wenn das durch ihr toupiertes Haar weniger auffiel. Mir egal, dachte ich, ich will vögeln. Außerdem hat sie herrliche Fingernägel. Wenn sie damit sanft meinen Schwanz streichelt ... Ich musste meine Phantasie zügeln, um nicht jetzt schon zu ejakulieren.
    Ich schaute mich im Zimmer um. An der Wand, über einer Art Kommode, hing ein großes Holzkreuz. An einer anderen Wand war mit glitzernden Heftzwecken ein altes Sonntagsschulbild befestigt: Jesus spricht von einem Berg zu der Menge in der Tiefe. Ein akustisches Wunder, denn wer hoch steht und spricht, den versteht man unten nicht, während in einem Amphitheater die Stimme bis in die obersten Sitzreihen trägt.
    An einer dritten Wand hing ein Bild von Jesus, wie er über das Wasser schreitet und Petrus die Hand reicht, der bis zum Bauch eingesunken ist. In einer Nische neben dem Fenster hing ein Plakat der Studentengemeinde.
    Wo bin ich hier gelandet, dachte ich. Dies ist das Heim einer durch und durch christlichen Frau.
    Wie christlich sie war, zeigte sich kurze Zeit später, als sie mit zwei dampfenden Bechern ins Wohnzimmer kam. Unumwunden fragte sie: »Kennst du den Herrn, Jesus Christus?«
    »Von Hause aus bin ich synodal-reformiert«, brummte ich.
    »Wenn du von Hause aus Jesus kennst, warum streunst du dann draußen herum, um ein aufgedonnertes Straßenmädchen aufzugabeln?«
    »Ich ...
    »Schändliche Lust«, herrschte sie mich an, »einzig und allein schändliche Lust, gib’s ruhig zu, schändliche Lust, dieweil du weißt, dass dein Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist.«
    Um Zeit zu gewinnen, trank ich einen großen Schluck Tee. Ich erwiderte nichts.
    »Du brauchst einen Schubs«, fuhr sie fort, »einen Schubs in die richtige Richtung. Schließ dich unserer Gideonsbande an.«
    Sie deutete auf ein großes Poster, das an der Wohnzimmertür befestigt war. Ich hatte es vorher nicht bemerkt, weil die Tür offen gewesen war, während sie in der Küche Tee gekocht hatte.
    »Evangelisierungsgruppe Ichthus«, sagte sie, »schließ dich uns an, stell dich zu seinem Wagen, wie das Wort sagt. Wirklich, es wird nicht mehr lange dauern, bis der Herr Jesus durch die Wolken des Himmels wiederkommt. Die Spanne ist kurz. Wir müssen retten, was noch zu retten ist, denn der große, erhabene Tag kommt bald. Schließ dich uns an. Wir werden dich mit offenen Armen empfangen.«
    Als ich weiter meinen Tee schlürfte, ohne etwas zu erwidern, sagte sie: »Ich habe dich schon ein paar Abende beobachtet. Du bist jemand mit festen Gewohnheiten. Jedes Mal kamst du genau um halb neun aus dem Maarsmansteeg und bist den Nieuwe Rijn entlanggegangen. Ich bin dir dann eine Weile in sicherer Entfernung gefolgt. Es war so rührend. Du bist viel zu schüchtern, um ein Mädchen anzusprechen. Mich hast du gar nicht bemerkt, weil ich meine normalen Kleider anhatte.«
    »Und darum hast du dich ... um ... deshalb bist du heute als Flittchen auf die Straße gegangen?«
    »Sehe ich aus wie ein Flittchen? Um mich zu tarnen, habe ich meine Campusklamotten mal wieder aus dem Schrank geholt. Die habe ich in Harvard getragen, als ich dort ein Praktikum als Ichthusevangelistin ...
    »Du bist in Harvard gewesen, um dort ein Praktikum als Evangelistin zu machen?«, fragte ich erstaunt.
    »Nein, nein, ich habe dort ein Jahr lang Psychologie studiert, im Rahmen eines Austauschprogramms, und bin Mitglied einer amerikanischen Evangelisierungsbewegung geworden, der Gruppe Flirty Fishing . Wir haben uns immer so hip wie möglich gekleidet, wenn wir loszogen, das Evangelium zu verkünden. Man kam dann viel leichter ins Gespräch. Tja, für Jesus war uns

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