Schneeflockenkuesse
Beine zu stellen. Als ihr Blick über den Tisch schweifte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass all das, was dort stand, gestern Abend noch gar nicht da gewesen war. »Du hast eingekauft.«
Er lachte über ihre scharfsinnige Bemerkung. »Es gibt eben auch Menschen, die nicht den halben Tag im Bett liegen, ohne sich die geringsten Sorgen um die nächste Mahlzeit zu machen. Wo wir gerade davon sprechen â¦Â« Sein Stuhl kratzte über den Holzboden, als er aufstand und nach einer vollen Papiertüte griff, die auf der Anrichte stand. Er zog sechs Dosen mit Vitaminpräparaten heraus, nahm aus jeder Dose ein paar Pillen und legte sie neben Mallorys Glas mit Orangensaft. Jetzt lag ein ansehnlicher Berg bunter Kapseln und Tabletten auf dem Tischtuch. »Die schluckst du jetzt eine nach der anderen«, erklärte er.
Entgeistert starrte Mallory auf die vielen Vitaminpillen. »Aber â¦Â«
Warnend hob Nathan die Brauen.
Pflichtbewusst nahm seine Frau die Vitamine, eine Kapsel nach der anderen. Als sie damit fertig war, hatte sie keinen Appetit mehr auf ihr Frühstück, aà es aber trotzdem auf. Denn Nathan würde andernfalls keine Ruhe geben.
Nach dem Essen spülten sie zusammen ab und unterhielten sich bewusst über Belanglosigkeiten. Mallory hatte gerade das Besteck weggeräumt, als sie mit einer Frage herausplatzte, die sie schon die ganze Zeit quälte. »Warum hast du gestern Abend nicht mit mir geschlafen, Nathan?«
Einen Moment sahen sie sich schweigend an. Dann drehte Nathan sich zum Fenster. »Ich war müde«, sagte er nach einer Weile. »Vermutlich war der Jetlag daran schuld.«
»Hast du eine Affäre, Nathan?« Mallory wusste nicht, ob es mutig oder schlicht dumm war, diese Frage zu stellen.
Er drehte sich um und sah sie direkt an. »Nein«, sagte er abweisend, offensichtlich verletzt. »Und solltest du daran zweifeln, kann ich dir versichern, dass ich dich noch genauso begehrenswert finde wie immer, trotz des vergangenen Abends, auch wenn du für meinen Geschmack ein bisschen zu knochig geworden bist.«
Sie presste das Geschirrhandtuch zwischen ihren Händen. »Wir waren seit sechs Wochen nicht mehr zusammen und â¦Â«
Nathan nahm ihr das Tuch aus der Hand, warf es achtlos zur Seite und zog Mallory in seine Arme. »Daran musst du mich nicht erinnern, Liebes«, murmelte er, und seine Lippen strichen warm und weich über ihre Schläfe. »Die letzte Tournee war die Hölle.«
»Ich möchte jetzt mit dir schlafen, Nathan«, flüsterte sie.
Doch er versteifte sich und hielt sie auf Armeslänge. »Nein«, widersprach er entschlossen. »Du bist müde und krank ⦠Ich weià ja nicht, was die Ãrzte dir geraten haben, aber ich bin sicher, dass sie dir keinen Sexmarathon verordnet haben.«
Mallorys Kinn zitterte leicht. Ob er sich wirklich Sorgen um ihre Gesundheit machte? Oder befriedigte er seine Bedürfnisse im Bett einer anderen Frau? Er hatte geleugnet, eine Affäre zu haben, aber vermutlich würde er es auch nicht zugeben, nachdem seine Frau erst vor ein paar Tagen im Krankenhaus gewesen war.
Nathan küsste sie auf die Stirn, bevor er sie loslieÃ. »Im Wohnzimmer brennt ein gemütliches Feuer«, sagte er betont fröhlich. »Mach es dir doch auf dem Sofa bequem. Du könntest lesen oder irgendetwas anderes tun.«
Mallory fielen verschiedene andere Dinge ein, die sie auf dem Sofa machen könnte, aber keines davon hatte mit Lesen zu tun. Stolz drehte sie sich um und verlieà wortlos die Küche.
Das Wohnzimmer war ein einladender, gemütlicher Raum mit Blick über den Puget Sound, eine wunderschöne, lang gestreckte Bucht. Nachdenklich stellte Mallory sich ans Fenster und sah eine Weile hinaus aufs Wasser und den Obstgarten, der früher der ganze Stolz ihres Vaters gewesen war. Wenn Paul OâConnor nicht gerade mit seinem Boot unterwegs war oder etwas daran reparierte, hatte er jede freie Minute in diesem Garten verbracht.
Als es wieder zu schneien begann, freute Mallory sich wie ein Kind. Sie sehnte sich danach, hinauszugehen und die groÃen Flocken mit der Zunge aufzufangen. Da sie zu müde war, lieà sie sich stattdessen auf den Sessel am Fenster fallen.
Sie spürte Nathans Anwesenheit, lange bevor er sich neben sie stellte, verstörend nahe.
»Ich muss noch einiges erledigen, Darling«, sagte er. »Es kann später
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