Schneeflockentanz (German Edition)
nicht mehr drauf ankam, also erwiderte er: „Ich mag ihn. Mir liegt wirklich viel daran, eine Freundschaft zu ihm aufrecht zu erhalten. Ich will nicht, dass er sich zurückzieht, nur weil ich schwul bin. Aber das wird ganz bestimmt passieren, wenn er die Wahrheit weiß. Vielleicht kann ich das irgendwie in den Griff bekommen. Also mich … Meine Gefühle für ihn. Aber dafür brauche ich Zeit!“
Anne seufzte hörbar. „Ach Can … du belügst dich selbst. Alle Zeit der Welt kann dir nicht helfen, wenn du auf ihn stehst … wenn du dich in ihn verliebt hast. Das kann nur er, indem er dir sagt und zeigt, woran du bist.“
„ Ich bin doch kein Masochist!“, echauffierte sich Can.
„ Doch, schon, wenn du dich jetzt in so einer Freundschaft mit einer Lüge rumquälen willst. Und überhaupt … was denkst du, wie lange es dauert, bis es ihm einer deiner anderen Freunde sagt? Muss ja nicht mal absichtlich sein. Aber du kannst doch nicht verlangen, dass alle lügen.“
„ Denen begegnet er ja nicht, wenn ich es verhindern kann. Jedenfalls nicht, solange wie er bei mir wohnt. Danach sehen wir weiter. Aber jetzt sind wir uns einfach zu nah, als dass ich das mit dem Outing durchstehen würde. Okay, ich verlange nicht, dass du das verstehst, aber ich möchte, dass du es respektierst!“
„ Natürlich“, versicherte Anne, dann sagte sie: „Ihr kommt doch an Weihnachten zu uns, oder?“ Can stutzte. „Weihnachten?“
„ Ja, das ist dieses Fest in ein paar Tagen. Alle reden die ganze Zeit drüber. Du hast bestimmt auch schon davon gehört.“
„ Lustig“, knirschte Can. „Komm sag schon ja! Wir machen eine richtige Familienfeier.“ „Ich gehöre aber nicht zu eurer Familie.“
„ Ist doch egal. Wenn Jo an Heiligabend zu uns kommt, bist du doch sonst ganz alleine.“ Can blickte zum Himmel. Da bahnten sich doch tatsächlich schon wieder ein paar kleine Schneeflocken den Weg in ihr eigenes Verderben. Die ersten von ihnen wurden auch schon unter den Scheibenwischern vorbeifahrender Autos zerquetscht. Geschah ihnen recht! Can bemühte sich, seine düsteren Gedanken in den Griff zu bekommen, bevor er antwortete. „Also, erstens muss ich an Heiligabend arbeiten. Und da werde ich vermutlich so viele Leute sehen, dass es mir für die kommenden Feiertage reicht. Zudem wäre ich, ohne dass Jo bei mir wohnt, doch auch nicht bei euch eingeladen worden.“ Nun schwieg Anne peinlich berührt. „Wahrscheinlich nicht“, gab sie zu. „Aber musst du das so eng sehen?“
„ So bin ich halt“, erwiderte Can. Anne seufzte. „Okay, dann mach was du willst. Du bist auf jeden Fall herzlich willkommen, falls du es dir anders überlegen solltest. Sagst du Jo trotzdem schon mal Bescheid? Ich werde mich aber auch später noch selbst bei ihm melden.“
„ Klar, ich sag ihm, dass er an Heiligabend bei euch erwartet wird.“
„ Danke, Can, du ...“ Er unterbrach sie. „Wenn du mir jetzt sagen willst, ich sei ein prima Kerl, dann verkneif es dir bitte mal!“
„ Meine Güte, bist du heute empfindlich. Ich lasse dich dann besser mal in Ruhe“, gab Anne zurück. Als sie aufgelegt hatte, steckte Can sein Handy ein und vergrub die Hände tief in den Jackentaschen. Schnee war ebenso wenig sein Ding, wie Weihnachten. Aber dieses Jahr nervte irgendwie beides noch mehr als sonst. Und jetzt würde nicht mal Jo an Heiligabend bei ihm sein. Also würde es genauso deprimierend werden, wie im letzten Jahr. Vielleicht könnten sie wenigstens die Tage darauf gemeinsam etwas unternehmen? Aber wer wusste schon, ob Jo die nicht auch lieber bei seiner Familie verbringen würde. Can könnte das durchaus verstehen, und er nahm sich vor, Jo keinen Ton davon zu sagen, dass er ihn vermissen würde.
*~*~*
Passend zu Heiligabend hatte eine Warmfront das Rheinland erreicht. Die Leute waren gereizt und hektisch. Die ausfallenden Weißen Weihnachten waren denn auch Gesprächsthema Nummer eins. Can schob die Weihnachtsdekoration auf der Ladentheke ein wenig zur Seite, um zwei Jeans eintüten zu können. Das war so typisch, dass Tobi auf die Idee gekommen war, man könnte noch einen großen künstlichen Tannenzweig mit glänzenden Christbaumkugeln, goldenen Schleifen, Weihnachtsmännern und Tannenzapfen neben die Kasse legen.
„ Wenn schon kein Schnee, dann wenigstens zwei dicke Kugeln, und dieser formschöne Zapfen gehört ja wohl genau in die Mitte!“, hatte er entschieden und gegrinst, als er das Gesteck neu arrangierte. Can ahnte
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