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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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Hand. Ja, niemand konnte helfen, und dann konnte man nicht einmal seine Wut rauslassen, weil man sonst asozial war, selbst in einer Absteige wie dieser. Weg. Nichts wie weg. Irgendwohin. Neu anfangen. Nein, das ging nicht, er würde Erika mit sich rumschleppen wie ein Ekzem, das sich immer wieder entzündete. Plötzlich sah er es vor sich: eine Insel, weißer Sandstrand, er hinter der grob gezimmerten Bar, glücklich mit den seltenen
Touristen, Erika tanzend mit einem Palmwedel als Kindersatz am Strand. Geld. Alles scheiterte daran.
    »Da, schaut’s euch das an.« Die Kellnerin drehte mit der Fernbedienung den Fernseher lauter. Jemand hatte aus dem Stephansdom eine Jesuskindfigur geraubt und bei der Flucht einen Mann so schwer verletzt, dass er zwei Stunden später verschieden war. Jesuskind … eine Frau. Das Phantombild. Auch wenn die Gesichtszüge nicht stimmten, die Frisur war eindeutig. Hannes fiel die Bierflasche aus der Hand. Die Kellnerin schimpfte. Wischte. Hannes trank den Schnaps. Der Schöpfer des Jesuskindes, eilends nach Wien gereist, verzieh der Frau - »Ich weiß, dass Sie einen guten Grund gehabt haben müssen« -, der Dompfarrer auch. Man werde für Hilfe sorgen, wenn das Phantom sich nur meldete. Die Figur sei von Bedeutung … Hannes wurde schlecht. Sie würden Erika einsperren, in ein richtiges Gefängnis, daran würde sie zugrunde gehen. Er musste sie retten.
     
    Kollege Franz zwinkerte Gruppeninspektor Theo Schimmel zu. »Aber nur, weil Weihnachten ist.«
    Schimmel legte ihm die Hand auf die Schulter. »Kriegst zwei Kisten Bier von mir. Drei. Aber es hat gleich heute sein müssen, weil die Susi sonst …«
    »Vergiss es. Mein Date war mir eh zu gefährlich. Die Frauen sind zu die Feiertag immer ein bissel zu gefühlsdusselig.«
    Theo Schimmel lachte. »Danke. Aber sei vorsichtig, sie ist …«
    »Ja, ja, hast mir schon gesagt.« Franz wandte sich Susi zu. »Also dann, worum geht’s bei der Selbstverteidigung? Um nichts anderes, als die Schwäche des Gegners auszunützen, die eigene Schwäche zur Stärke zu machen …«

    Schimmel beobachtete seine Tochter, während Franz mit beruhigend tiefer Stimme über die Dinge, die Angst machten, sprach, als wären sie zwar ernst zu nehmen, aber dennoch ein Klacks. Sein Kollege musste gutes Geld mit diesen Kursen verdienen, denn sein Studio war mit teuren Ledermöbeln ausgestattet. Schimmel ging in den Vorraum und ließ sich einen Espresso aus der Kaffeemaschine. Daneben war ein Ständer mit Flyern. Er würde ein paar in seinem Stammbeisl verteilen, das war das Mindeste, was er für Franz tun konnte. Während er den Kaffee trank, blätterte er einen durch. Hauptsächlich Statements von Frauen, die erklärten, wie toll und sicher sie sich nach dem Kurs gefühlt hätten. Hoffentlich konnte Franz auch seiner Prinzessin helfen. Tränen drückten von hinten gegen seine Augäpfel. Ihre Mutter hätte sie in den Arm genommen und so getröstet, er hatte nur pragmatische Lösungen anzubieten. Und dennoch … es war richtig gewesen, Franz sofort anzurufen. Schimmel blätterte weiter. Sein Atem stockte. Da lachte ihn seine Frau aus dem Flyer heraus an. Nein, natürlich war sie es nicht, sie hatte nur dieselbe Frisur und einen ähnlich großen Mund. Diese Erika Federer sah gänzlich anders aus. Aber der gleiche Typ … Er strich sanft über das Bild. Schluss! Das Sinnieren tat ihm nicht gut. Sie war tot. Er hatte eine Tochter, die ein Kind bekam. Darauf musste er sich konzentrieren. Irgendwann … vielleicht … Angeblich konnte man ein zweites Mal lieben, wenn man es bereits einmal getan hatte - ein Märchen. Aber hassen konnte man. Den Verbrecher umbringen, damit seiner Kleinen nichts mehr passieren konnte, dann in den nächsten Flieger und alles hinter sich lassen. Das wäre es.
    Schimmel schleuderte die Tasse gegen die Wand. Verdammt,
warum hatte seine Frau ihn allein gelassen? Sie wusste doch, dass er all dem nicht gewachsen war.
     
    Gruppeninspektor Robert Riedl drückte sich in die Eingangsnische eines Geschäftes für Haushaltswaren. Es war jämmerlich. Seit zwei Stunden folgte er Lisbeth Kramer auf ihrer scheinbar ziellosen Odyssee durch die Stadt, wie der dümmlichste Stalker. Was versprach er sich davon? Die Frage war falsch. Wieso konnte er nicht anders, musste sie lauten. Es war, als wäre er mit einem Gummiband an sie gebunden. Irgendwann würde sie ihn entdecken, im besten Fall beschimpfen und verjagen, im schlechtesten Fall vor sämtlichen Kollegen

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