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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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bist.«
    Susi murmelte etwas.
    »Komm schon, Prinzessin, das ist wie beim Reiten: Beim ersten Sturz musst du …«
    »… sofort wieder aufsteigen, sonst tust du es nie wieder. Ich weiß.« Sie nickte.
     
    Hannes hörte Erikas Stimme, die ein Schlaflied sang. Er wollte die Frau da drinnen nicht sehen. Sie sah noch aus wie seine Ehefrau, wie die große Liebe seines Lebens, aber sie war es nicht mehr. Ein Klon ohne Erinnerung oder ein Zombie wie in diesen Körperfresser -Filmen. Trotzdem zog sich jedes Mal, wenn er ihr gegenüberstand, sein Herz vor Sehnsucht zusammen. Taumelte er vor Liebe, bis sie den ersten Satz sprach. Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf? Mit ihrem Kinderwahn könnte er ja noch leben. Sollte sie doch in ihrer Fantasiewelt mit den Kleinen die schönsten Dinge erleben, wenn sie nur ihn wiedererkennen würde.
    »Herr Federer?«
    Hannes drehte sich zur Pflegerin um. In ihrem Blick stand pures Mitleid. Das war das Schlimmste, das Mitleid seiner Umgebung. Die Freunde hatten sich zurückgezogen und riefen nur noch alle heiligen Zeiten an, um zu fragen, ob alles okay sei. Okay. Es interessierte sie eigentlich nicht im Geringsten, wie es Erika tatsächlich ging, denn von Krankem musste man sich fernhalten. Jetzt fingen sie auch schon an, ihm Frauen vorzustellen. Es war widerlich. Als könnte man Liebe einfach ein- und ausschalten.
    Er klopfte. Die Stimme verstummte. Er wechselte einen
Blick mit Edelgard Stiegel und klopfte nochmals. »Erika? Ich bin’s. Lässt du mich hinein?«
    Keine Reaktion. Dann eben nicht. Er hatte seine Schuldigkeit getan, jetzt sollten die Profis schauen, wie sie sie wieder in den Griff bekamen. Freigang. Ha. Er wandte sich ab.
    »Hannes? Bist du es?«
    Hannes wirbelte herum. »Erika?«
    »Hannes?«
    Sie wusste, wer er war! Er klopfte sanft mit allen fünf Fingern gegen das Holz. »Ja, ich bin’s. Erika, lass mich bitte hinein. Bitte.« Sie erkannte ihn. »Bitte, Erika.« Ihm wurde schwindelig. Das erste Mal seit einem halben Jahr, dass sie ihn mit Namen ansprach!
    Die Tür öffnete sich einen Spalt. Seine Frau spähte heraus. »Bist du allein?«
    »Nein, Frau Stiegel ist bei mir.«
    Die Pflegerin schob sich vor und lächelte. Seine Frau zog ihn am Arm ins Zimmer und verbarrikadierte wieder die Tür.
    Sie stellte sich vor ihn hin, strahlte ihn an, strich ihm über die Wange, küsste ihn auf den Mund. »Ich bin so froh, dass du da bist. Ich will wieder heim.«
    »Äh … das ist gut. Wir müssen nur zuerst mit dem …«
    »Gar nichts müssen wir.« Sie ging zum Bett beim Fenster. »Die Chefin von diesem Frauenhaus hier, die ist sehr nett. Ich hab schon alles mit ihr besprochen. Wir werden ihr eine Spende zukommen lassen, als Dank, weil sie uns so nett aufgenommen hat.«
    »Uns?« Es hatte nicht aufgehört. Es hatte nicht aufgehört!
    »Ja, Jeremias und mich natürlich. Ich weiß, dass du jetzt verwirrt bist … Ich wollte es dir zuerst nicht sagen, aber …
ich will dir nichts verheimlichen. Ich liebe dich.« Sie lächelte, zog dann ein Bündel unter der Decke hervor. »Jeremias ist entführt worden. Heute früh. Ich hab es dir nicht gesagt, weil ich weiß, dass du vor Sorgen gestorben wärst. Aber ich hab ihn wiedergefunden. Im Stephansdom. Dort haben sie eine Stelle für abgängige Kinder eingerichtet.« Sie hielt ihm das Bündel entgegen.
    Hannes ging wie in Trance zu ihr. Er wollte nicht sehen, was in das Badetuch eingewickelt war, wollte es um nichts in der Welt, aber er konnte nicht anders. Sie schlug das Tuch zurück. Und er blickte auf eine hölzerne Figur des Jesuskindes. Mit aufgemalten rosigen Wangen. Er begann zu weinen. Es schüttelte ihn.
    Erika drückte ihm die Skulptur in den Arm, streichelte sie und dann ihn. »Jetzt ist ja alles wieder gut. Nicht mehr weinen, Hannes. Ich werde unseren Augenstern keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, das verspreche ich dir.« Sie umarmte ihn mitsamt der Holzfigur. »Ich bin so froh, dass ich euch beide habe.«
     
    Gruppeninspektor Robert Riedl fixierte den Bildschirm, auf dem die Phantomzeichnung der Diebin und Totschlägerin langsam an Kontur gewann. Er ließ die Fragen des Zeichners und die von Lisbeth Kramer, die erstaunlich präzisen Angaben der Zeugin an sich vorbeirieseln, denn die offensichtlich irre Person auf dem Bild interessierte ihn nicht im Geringsten. Natürlich, es war schlimm, dass jemand tödlich verunglückt war, und das auch noch zu Weihnachten, doch so etwas passierte ständig. Und diese Frau würden sie

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