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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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Sie stolperte, verlor beinahe die Tragetasche mit dem Kind. Hannes zog sie unerbittlich weiter. Er sprach nicht mit ihr, er kümmerte sich nicht um Jeremias. Er hatte ihr lediglich ein Kopftuch umgebunden und eine Brille auf die Nase gedrückt. Und er sagte ständig, dass sie keine Zeit hätten.
    Plötzlich blieb er stehen, riss sie herum. Deutete auf ein Café. »Dort wartest du auf mich. Egal, wie lang es dauert. Du redest mit niemandem, hast du verstanden? Mit niemandem. Und pass auf, dass niemand das … Kind sieht. Das ist ganz wichtig. Niemand darf das Kind sehen.«
    »Haben sie uns gefunden?«

    Er schloss die Augen. »Ja, sie haben uns gefunden. Deswegen müssen wir weg. Ich muss nur noch was regeln.«
    »Falsche Papiere?«
    Er lachte. »Ja, falsche Papiere.«
    Sie strich ihm über die Wange. Er war der beste Ehemann von allen. Ein Ruck - jemand riss ihr die Tasche aus der Hand. »Hannes!« Sie sah einen Mann mit Kapuze mit ihrer Tasche davonlaufen. Nicht schon wieder. Sie sprintete los, Hannes war neben ihr. Er stieß sie zur Seite und stürzte sich auf den Mann. Die beiden landeten auf dem Boden, die Tasche mit ihrem Kind schlitterte über den Boden, überschlug sich, blieb seitlich liegen. Ihr Kind! Wenn es jetzt eine Gehirnerschütterung … Sie rannte los, sah, dass der Kapuzenmann Oberwasser bekam und mit der Faust ausholte. Mit der Faust ihrem Hannes ins Gesicht … Ihrem Mann! Sie sprang dem Kapuzenmann in den Rücken. Der jaulte auf, traf sie mehr zufällig als absichtlich mit der Handkante an der Gurgel. Sie japste und rollte von ihm herunter. Rang nach Luft. Tastete nach der Brille, die heruntergefallen war. Sah, dass zwei Männer zu Hannes und dem Kapuzenmann … dass die Frau, die bei den Männern gestanden hatte, in die offene Tasche lugte … dass einer der Männer mit Gebrüll den Hals des Diebes umfasste, der andere ihn zurückzureißen versuchte … und die Frau aus der Tasche eine Babypuppe aus Holz herausholte. Zu ihr schaute. Sie merkte, dass ihr das Kopftuch heruntergerutscht war.
     
    Sie war schuld am Tod eines Mannes. Es war so entsetzlich. Unvorstellbar im Grunde. Aber diese Polizisten, mit denen sie jetzt beinahe gemütlich beim Kaffee saß, belogen sie sicher nicht. Und Hannes schon gar nicht. Sie war eine Irre, eine
Diebin und eine Mörderin. Das Ganze konnte nur ein Albtraum sein, doch der Kaffee hinterließ auf ihrem Gaumen einen bitteren Geschmack. In einem Traum hatte sie noch nie etwas geschmeckt. Es war also wahr. Sie hatte Kinder halluziniert und eine Menge Menschen ins Unglück gestürzt, allen voran ihren Mann. Sie konnte ihn gar nicht anschauen. Dafür gehörte sie aus dem Verkehr gezogen. Sie sah zu …
    … Gruppeninspektor Robert Riedl musterte das Gesicht der Frau, die ihn fassungslos anstarrte. Erika Federer. Das Phantombild hatte, bis auf die Frisur, nicht viel Ähnlichkeit mit ihr. So viel zum glasklaren Blick der Zeugin Holzinger. Eine recht nette Frau, Datenverarbeiterin, die es allerdings nicht verarbeitet hatte, dass ihre drei Kinder noch vor der Geburt gestorben waren. Sie war gestraft bis an ihr Lebensende. Und ihr Mann ein Häufchen Elend zwischen Glückseligkeit und Verzweiflung. Endlich war seine Frau wieder bei klarem Verstand, und schon verlor er sie erneut. Riedl hatte das Gefühl, dass man auf ihn nun viel mehr aufpassen musste als auf seine Frau. Er war noch immer nicht nüchtern, doch so weit denkfähig, dass er langsam realisierte, zu welchem Verbrechen er noch eine Stunde zuvor bereit gewesen war. Und alles nur aus Liebe zu seiner Frau. Ein Gefühlsirrer, wie auch …
    … Gruppeninspektor Theo Schimmel starrte auf den Nacken des blond gefärbten Diebes. Kein Ausländer auf Einkaufstour, sondern ein hausgemachter Verlierer auf Drogen, der sich seinen Teil von Weihnachten hatte organisieren wollen. Einer, der sich nicht mehr spürte und deshalb überhaupt nicht mitbekam, was er anderen Menschen antat. Beinahe hätte Schimmel ihn umgebracht. Wäre damit so geworden wie er. Endgültig, denn ansatzweise war er es ja
schon gewesen: gefühlskalt und kurzsichtig vor Selbstmitleid. Er würde Riedl auf ewig dankbar sein, dass er ihn vom Hals des Diebes losgeeist hatte. Vom Gefängnis aus konnte sich niemand um Tochter und Enkelkind kümmern … Und Erika Federer hatte keinerlei Ähnlichkeit mit seiner toten Frau. Das war gut so. Er lächelte Robert zu …
    … Riedl lächelte zurück. Am liebsten hätte er jetzt alle Beteiligten nach Hause geschickt und

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