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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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Treppe stehen. Fasziniert beobachteten sie, wie Theresa, die nur mit einer dünnen Bluse und einem kurzen Rock bekleidet war, ihr Zittern unterdrückte und trotz andauernden Freizeichens am anderen Ende stoisch darauf wartete, dass der Vermieter doch noch den Hörer abhob.
    Ben räusperte sich. »Dann rufen wir eben den Schlüsseldienst.«
    »Ich hab mal vier Stunden auf den Schlüsseldienst gewartet«, sagte Mandy und kaute auf einer ihrer langen schwarzen Haarsträhnen. »Und an einem Tag wie heute …«
    »Is ja Weihnachten«, ergänzte Tommy.
    »Die haben bestimmt einen Notdienst«, sagte Ben schnell.

    »Trotzdem …«, warf Mandy ein.
    Theresa schnaubte wütend, als sie es aufgab, den Vermieter ans Telefon zu bekommen. Dann wählte sie die Nummer der Auskunft und verlangte, mit einem Schlüsseldienst verbunden zu werden.
    »Wollt ihr nicht lieber oben bei uns warten?«, fragte Tommy.
    Ben hob abwehrend eine Hand.
    »Vier Stunden«, wiederholte Mandy. »Ich hab mal vier Stunden gewartet.«
    »Wirklich sehr nett, aber …« Ben warf einen hilfesuchenden Blick zu Theresa, die gerade weiterverbunden worden war.
    »Ja, wir haben uns ausgeschlossen. Wie schnell können Sie kommen?«
    Theresas entgeisterter Gesichtsausdruck raubte Ben den letzten Funken Hoffnung.
     
    In Tommys und Mandys Wohnung herrschte überraschenderweise immer noch ein Durcheinander aus gestapelten, prall gefüllten Umzugskartons. Bis auf ein paar alte Stühle und einen zu niedrigen, wackelnden Couchtisch war das Wohnzimmer leer. Auch die anderen Räume, in die Ben und Theresa verstohlen hineinspähten, waren weitgehend unmöbliert und ebenfalls voller Umzugskartons. Aber was hatte dann all die nächtlichen Geräusche verursacht?
    »Kultig, oder?« Mandy grinste und kräuselte ihre Nase, als sie auf die in mehreren Knallfarben blinkende Lichterkette deutete, die von der Gardinenstange herunterbaumelte.
    »Können wir euch was zum Aufwärmen anbieten?«, fragte Tommy.

    Mandy klatschte begeistert in ihre Hände. »Meinen Eintopf!«
    »Super Idee!« Tommy grinste. »Wenn ihr den intus habt, seid ihr uns garantiert nicht mehr böse.«
    Ben, der schon beim Betreten der Wohnung einen merkwürdigen Geruch zwischen Süße und Fäulnis bemerkt hatte, winkte entschieden ab.
    »Machen Sie sich keine Mühe. Der Schlüsseldienst wird ja jede Minute eintreffen.«
    »Wenn der schon ›mindestens’ne Stunde‹ sagt!« Mandy lachte.
    »Vielleicht auch weniger«, verbesserte Theresa.
    Aber Mandy drehte sich bereits um und marschierte in Richtung Küche. Ben und Theresa warfen sich einen alarmierten Blick zu.
    »Ich schaue besser, ob ich helfen kann«, schlug Theresa vor.
    »Lieber nicht«, sagte Tommy. »Nicht mal ich darf wissen, was in dem Eintopf drin ist.«
    Theresa lächelte dünn und folgte Mandy nun besonders eilig in die Küche.
    Eine Weile standen Ben und Tommy schweigend nebeneinander und betrachteten die bunt blinkende Lichterkette.
    »Der Geist der zukünftigen Weihnacht?«, fragte Ben schließlich, um einen Scherz bemüht, und deutete auf den Totenkopf auf Tommys Sweatshirt.
    »Häh?« Tommy sah ihn verständnislos an.
    Ben beschloss, lieber das Thema zu wechseln. »Darf ich mal die Toilette benutzen?«
    Tommy biss sich auf die Lippen und fixierte ihn. Ben hatte das Gefühl, mit seiner Frage einen riesigen Fauxpas begangen zu haben.

    »Okay«, seufzte Tommy dann und setzte ein nervöses Lächeln auf.
     
    Bens Idee, Tommy auf diese Weise wenigstens für ein paar Minuten loszuwerden, war eigentlich nicht schlecht. Sie hatte nur einen furchtbaren Nachteil: In dem extrem engen Badezimmer war der durch die ganze Wohnung wabernde Fäulnisgeruch besonders durchdringend. Und die Quelle des Gestanks schien sich unter fleckigen Bettlaken in der Badewanne zu befinden. Ben wollte eigentlich nicht nachsehen, am liebsten hätte er nichts im gesamten Badezimmer auch nur angefasst. Aber die merkwürdigen Formen, die unter diesen Tüchern wie eine Gruppe zusammenhockender Gespenster aussahen, ließen Ben keine Ruhe. Vorsichtig hob er eins der Bettlaken an.
    Gerade als er die Grünpflanzen darunter erkannte, ging hinter ihm die Badezimmertür auf. Erschrocken ließ Ben das Laken wieder sinken und fuhr herum. Tommy lächelte ihm zu - aber anstatt sich bloß zu vergewissern, wo Ben blieb, und dann das Badezimmer wieder zu verlassen, trat er ein und schloss die Tür ab. Ben ärgerte sich, dass er nicht selbst auf die Idee gekommen war, den Schlüssel

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