Schneegeflüster
Beschreibung des Kusses auf der Weihnachtsfeier wurde Laura wieder so wütend, dass sie ihn am liebsten auf der Stelle in Miami angerufen hätte, um ihm zu sagen, wie sehr sie ihn verachtete. Aber diese Blöße würde sie sich nicht geben. Sie würde sich einfach zwingen, nicht mehr an Janis zu denken. Es war vorbei. Aber Laura musste schlucken, denn ihr Herz tat scheußlich weh. Und ein klein wenig hatte sie auch das Gefühl, Janis gegenüber vielleicht zu hart gewesen zu sein.
Mit einer langen heißen Dusche begann Laura ihr Anti-Kummerprogramm. Keinesfalls würde sie bei einer Flasche Wein in einsamem Selbstmitleid versinken, das hatte sie Tante Carmen bei ihrem Anruf versprechen müssen. Ablenkung war angesagt. Programmpunkt eins war der Besuch des Waschsalons. Beim Vorübergehen an dem ausgebrannten Haus warf Laura einen flüchtigen Blick ins Innere, aber natürlich war der Soldat nicht da. Wie immer, wenn Laura in der Vergangenheit einen Geist gesehen hatte, hatte es sich auch diesmal um eine kurze einmalige Vision gehandelt. Schnell ging sie weiter. Die eisige Kälte biss ihr im Gesicht, und der Riemen ihrer übervollen Tasche schnitt schwer in ihre linke Schulter. Laura musste unbedingt die Bettwäsche waschen, die verführerisch nach Janis roch. Eine nächtliche Folter für ihren Abschiedsschmerz. Janis war ein wunderbarer Liebhaber. Die poetischen Worte, die er ihr stets ins Ohr flüsterte, während er sie genüsslich aus ihrer Kleidung schälte, bis sie mit glühender Haut vor ihm stand, fehlten ihr jetzt schon. Ein Leben ohne Janis war für Laura wirklich unvorstellbar. Mitten auf der Straße musste sie erneut mit den Tränen kämpfen. Die klirrende Kälte hatte
sich durch ihre Handschuhe gefressen, als sie endlich im Waschsalon ankam, und während sie ihre gemeinsame Wäsche auf zwei Maschinen verteilte, schmerzte jeder Handgriff. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Janis zurück. Ob er in diesem Augenblick bereits von einer seiner hübschen Cousinen getröstet wurde? In Laura wechselten Hass und Trauer, aber gelegentlich stieg auch die entscheidende Frage auf, die sie an sich selbst zweifeln ließ. Hatte sie selbst einen entscheidenden Fehler gemacht? Janis war ihr Traummann gewesen, und trotzdem waren sie gescheitert. Ihr schillernder Paradiesvogel aus Athen war im letzten Jahr an ihrer Seite zum plumpen Kuckuckskind mutiert. War es vielleicht ihre Schuld, dass er zusätzliche weibliche Bestätigung brauchte? Laura sei in letzter Zeit nicht zärtlich genug gewesen, hatte seine selbstgerechte Erklärung für den Ausrutscher auf der Weihnachtsfeier gelautet. Aber er hatte vermieden, auf Lauras Frage nach den Kondomen zu antworten, die er seit Wochen hatte kaufen wollen. Laura vertrug die Pille nicht und hatte Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft. War es ihre Angst, die Janis davon abgehalten hatte, sie so wie früher zu verführen und zu den Sternen tanzen zu lassen? Laura rutschte unruhig auf der harten Bank im Waschsalon hin und her. Vielleicht war sie ja weniger attraktiv als noch vor zwei Jahren? Energisch wischte Laura eine verräterische Träne weg. So wenig bleibt übrig von der Liebe, dachte sie beim Anblick von Janis’ einzelner Socke, einem bräunlichen Ungetüm mit einem Loch an der Ferse.
Als Laura kurz darauf den Waschsalon verließ, fiel ihr Blick auf ihr Spiegelbild, im Vorübergehen reflektiert in einem Schaufenster. Sie war eher sexy als schön, aber ihre
Attraktivität wechselte leider wie das Wetter. Von Tante Carmen hatte sie grüne Augen und lange kastanienbraune Locken mit einem rötlichen Schimmer geerbt. Aber Lauras Haare waren so widerspenstig, dass sie sie zu Hause oben auf dem Kopf zusammenband, auch jetzt, um die Wäsche einzusortieren und das Bett frisch zu beziehen. Laura seufzte. Tante Carmen wäre die Richtige, um Lauras ätzenden Kummer in Perspektive zu setzen, aber sie würde sich an diesen Weihnachtstagen mit längeren Telefonaten begnügen müssen.
Als nächsten Programmpunkt nahm Laura sich die Wohnung vor. Ungerührt spielten die Kakerlaken in den Ritzen des Küchenbodens Verstecken, während Laura mit dem Wischmopp ihre Aggressionen abreagierte. Ein helles Grau, beschloss Laura spontan, das war eine gute Farbe für die Küche und passte zu ihrer Laune. So ging sie am späten Vormittag zu den Kaminstein Brothers auf der Third Avenue, um sich bei den jüdischen Zwillingsbrüdern in der Auswahl von Rolle und Bootslack beraten zu lassen. Die Männer in den
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