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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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sie an enterbte Königssöhne denken ließ und an schlafende Prinzessinnen, die wachgeküsst werden sollten. Dabei wusste sie immer noch nicht, wo er steckte. Und eine gute Tat für heute hatte sie auch noch nicht.
    Pauline von der Rezeption winkte sie zu sich und raunte ihr zu: »Dein Carl sitzt im Restaurant.«

    Hinter den hohen Türen, durch die man von der Lobby direkt ins Hotelrestaurant kam, herrschte Hochbetrieb.
    »Mit einer Frau«, fügte Pauline hinzu.
    Sarah zuckte zusammen. Carl hatte sie noch nie zum Abendessen eingeladen. Ihr wurde heiß, wahrscheinlich vom Fieber. Pauline grinste. Ohne ein weiteres Wort durchquerte Sarah die Lobby und drückte die Türflügel zum Restaurant auf.
    Sie sah Carl sofort. Er saß an einem der guten Tische an der Fensterfront, vor sich das übliche, fast volle Glas Rotwein, die langen Beine ausgestreckt. Angeregt unterhielt er sich mit seinem Gegenüber - der Obdachlosen, die sonst immer vor Pierschings Feinkost bettelte! Sie hatte zwei Nachtischteller vor sich - wenn Sarah sich nicht täuschte, die Crème Brulée und der Vanille-Palatschinken - und nahm mal vom einen, mal vom anderen ein Löffelchen. Der Unterschied hätte nicht größer sein können: der perfekt gekleidete, blasse Mittdreißiger und die in unförmige Pullover und Röcke gewickelte Alte, deren Gesicht vom Wetter gegerbt war.
    Jetzt erst merkte Sarah, dass die Tische neben den beiden unbesetzt waren, und der ganze Saal auf das ungleiche Paar starrte.
    Sarah wollte schon wieder zurück in die Lobby, da wandte sich Carl zu ihr um, als spürte er ihre Anwesenheit. Seine gelöste Haltung verschwand augenblicklich. Etwas Hungriges erschien in seinem Blick, der Sarah nicht losließ. Seine Lippen formten Worte, und Sarah hörte seine dunkle Stimme in ihrem Kopf: Ich bin gleich bei dir. Sie nickte, und wieder durchflutete sie eine Hitzewelle. War das wirklich nur das Fieber?

     
    Zehn Minuten später stand Carl neben ihr vor dem Adventskalender. Er hatte die Obdachlose hinausbegleitet, und Sarah fragte sich, ob die Frau nach einem Vier-Sterne-Essen wirklich wieder draußen auf der Straße schlafen würde.
    »Ich hab Marlies angeboten, sie mit einem Taxi zur Notunterkunft fahren zu lassen. Sie wollte nicht. Dann wäre ihr Platz weg, meinte sie.« Carls kühle Hand lag auf Sarahs Hüfte. So lange hatte er sie noch nie angefasst, und sie konnte nicht anders, sie musste sich einfach gegen ihn lehnen. Vier, fast fünf Tage lang hatte sie ihn nicht gesehen, aber erst jetzt konnte Sarah sich eingestehen, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Der Druck von Carls Hand wurde ein wenig stärker, eine wortlose Aufforderung, ganz in seine Arme zu kommen. Fast hätte Sarah dem Wunsch nachgegeben, sich an ihn zu schmiegen, seinen frischen erdigen Geruch in sich aufzunehmen und endlich seinen Herzschlag zu spüren. Seit Wochen, eigentlich vom ersten Augenblick an, hatte sie das gewollt.
    Da fiel ihr Blick auf den Weihnachtsmann mit dem gefüllten Sack. Ein Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Sie brauchte ja noch eine gute Tat für heute.
    »Wie kam das eigentlich, dass du mit dieser Marlies hier zu Abend gegessen hast?«
    Carl lachte leise und strich ihr dabei über den Rücken. »Marlies ist vor ein paar Wochen in unsere Straße gezogen. Sie schläft …«
    »Vor Pierschings Feinkost , ich weiß.«
    Er nickte. »Wir haben uns ein paarmal unterhalten.«
    Sarah wusste, dass diese Gespräche nachts stattgefunden hatten, wenn Carl auf dem Weg zu seiner geheimnisvollen Tätigkeit war oder davon zurückkam.

    »Sie hat ein interessantes Leben hinter sich. Ich wollte sie näher kennenlernen.«
    »Und dann hast du sie gleich ins Hotelrestaurant eingeladen? Eine Pizza von Luigio hätte es nicht auch getan?«
    Ein dunkles Lachen vibrierte in Carls Brust. Instinktiv drückte sich Sarah näher an ihn, und sofort legte er seinen Arm besitzergreifend um ihre Taille. Wer sie so sah, musste sie für ein Liebespaar halten.
    »Sie schläft jede Nacht vor einem Delikatessengeschäft und hatte noch nie Palatschinken gegessen. Und der im Steiner ist einfach der beste.«
    Carl musste nicht dazusagen, dass er am liebsten alles im Hotel Steiner erledigte, wenn es sich einrichten ließ. Sarah dachte an die Hoteladresse auf seinem persönlichen Briefpapier.
    »Du hast also eine Obdachlose zu einem teuren Abendessen eingeladen, nur um sie besser kennenzulernen«, sagte sie.
    Seine Fingerspitzen drückten sich schmerzhaft in ihre Seite. Sarah blickte erstaunt zu

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