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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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ihm auf. Ein seltsam harter Ausdruck lag um seinen Mund.
    »Das stimmt doch, oder? Marlies ist nicht deine Mutter oder so?«
    »Meine …?« Carl schüttelte den Kopf, zog sie an sich und küsste ihr Haar. Die Berührung war so leicht und so schnell wieder vorbei, dass Sarah sich fragte, ob es überhaupt geschehen war. Erneut schoss die fiebrige Hitze in ihr hoch, und wie von selbst bewegte sich ihre Hand zu Carls Gesicht. Seine Haut war kühl und rau. Das Grün in seinen Augen verdunkelte sich.
    »Das war eine gute Tat.«

    »Was?« Er klang heiser.
    Sarah wandte den Kopf zum Adventskalender. Nur eine glitzernde Schneeflocke schmückte die Leiste für den 20. Dezember. Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis Carl verstand.
    »Sarah, nein«, stöhnte er, »tu das nicht! Ich bin noch nie auf Victors Kalender gelandet.«
    »Eine gute Tat muss belohnt werden. Und für alles gibt es ein erstes Mal.« Sie trat einen Schritt zurück und strich dabei kurz über seine Hand, die von ihrer Hüfte glitt.
    Drüben an der Rezeption standen Steiner und Pauline, die sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen hatten. Ein Nicken vom Chef, und Sarah hatte ihre gute Tat. Carl Zápolya - Dinner für Marlies stand wenig später hinter der Schneeflocke.
    »Hast du Marlies nun besser kennengelernt?«, fragte Sarah, als sie später zusammen in der Bar saßen, Carls kühle Hand auf ihrem Knie und ein blutroter Cocktail vor ihr auf der Theke.
    Ein Lächeln umspielte Carls Lippen. »Das habe ich. Sie ist wirklich verrückt. Aber voller Tatendrang und Leben.« Er klang fast traurig, als er das sagte.
    Sarah, die trotz der drei Aspirin, die sie vorhin eingenommen hatte, vor Fieber zitterte, fragte sich, ob er wohl spürte, wie wenig Leben noch in ihr steckte.
     
    Carl hatte alle Gutscheine abgelehnt. Er wollte keinen Geschenkkorb, er wollte keinen Chauffeur samt Taxi und auch nicht die zweitägige, exklusive Dampferfahrt auf dem Fluss, die Steiners Sekretärin organisiert hatte. Sarah hätte ihm sogar den Wechsel in ein größeres, helleres Zimmer angeboten, doch Steiner hatte nur gelacht. Sein Zimmer gibt
Carl nie auf , hatte er gesagt, und Sarah musste ihm recht geben.
    Das war vor drei Tagen gewesen, und seither hatte Sarah nicht mehr gearbeitet. Noch an dem Abend, nachdem sie mit Carl auf seine gute Tat angestoßen hatte, war ihr Fieber so sehr gestiegen, dass sie Annie anrufen musste. Tagelang hatte sie schweißgebadet im Bett gelegen und starke Medikamente geschluckt, die sie Tag und Nacht von Carl träumen ließen. Annie hatte sich um sie gekümmert, ihr Tee gekocht und vorgelesen.
    Ein paarmal während dieser Tage waren ihr Zweifel an ihrem Plan gekommen. Die Zurückgebliebenen litten am meisten, hatte sie irgendwo gelesen, doch wenn sie Annie das volle Ausmaß der Diagnose verriet, würde ihre Freundin erwarten, dass Sarah um ihr Leben kämpfte. Und sie hatte keine Kraft mehr zum Kämpfen. Versteckt in ihrer Reisetasche lagen die Schlaftabletten und der Abschiedsbrief, den sie schon vor Wochen verfasst hatte.
    Gestern war Arlo an ihrem Krankenbett erschienen, mit einem Winterstrauß aus duftenden Tannenzweigen, die über und über mit Nüssen, kleinen Äpfeln und goldenen Kugeln behängt waren. Carls Nachricht war so kurz gewesen wie seine erste. Werd wieder gesund, Kleines , stand in seiner seltsamen Sütterlinschrift auf der Karte.
    Es war Heiligabend. In den frühen Morgenstunden hatte es angefangen zu schneien, und die Stadt lag schon unter einer dichten Schneedecke, als Sarah auf dem Weg ins Hotel war. Die paar hundert Meter von der U-Bahn bis zum Hotel ging sie zu Fuß durch das Schneegestöber. Das Laufen strengte sie an, sie schwitzte und fror gleichzeitig, trotz warmem Mantel, Mohairpulli and Wollschal. Vielleicht hätte
sie ein Taxi nehmen sollen, doch sie war noch nie mit dem Taxi zum Hotel gekommen, und es sollte doch ein ganz normaler Arbeitstag sein.
    Kaum war sie durch die Hoteltüren getreten, wurde ihr klar, dass von einem »normalen Arbeitstag« keine Rede sein konnte. Die Lobby war voller Menschen, Berge von Koffern und Taschen versperrten den Zugang zu den Liften. Vor dem Adventskalender hatte jemand einen Zwillingskinderwagen abgestellt.
    »Sie haben den Flughafen geschlossen«, raunte Pauline und wandte sich einer Engländerin zu, die verzweifelt nach einem Zimmer für sich und ihre Mutter fragte.
    In Sarahs Büro lagen Stapel von Stornierungen und Umbuchungen, dazu noch Krankmeldungen von drei Zimmermädchen. Am

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