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Schneegeflüster

Titel: Schneegeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind , Rebecca Fischer , Steffi von Wolff , Andrea Vanoni
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handgefertigte Holztreppe neu lackiert und die Empore im Wohnzimmer mit einem Stückchen echten, kuscheligen Teppichboden ausgelegt, malvenfarben. Einige Zimmerwände hatte Natalie mit Geschenkpapier tapeziert und die Küche in Meißner Blau ausgemalt. Die kleinen
Möbel waren generalüberholt, und die Gardinen wie auch die winzige Bettwäsche hatte Natalie selbst auf der Nähmaschine angefertigt, abends, wenn Luisa schlief. Paul war vorbeigekommen, hatte sie in den Nacken geküsst und gemurmelt: »Du machst dir so eine Mühe.«
    Das Puppenhaus war ein wahrer Mädchentraum.
    Luisa riss immer noch am Papier, sie hatte an der Rückseite des Hauses angefangen, und alles, was bislang freilag, war eine öde Sperrholzwand. Natalie hatte sich oft ausgemalt, wie ihre Tochter das Puppenhaus auspackte - aber in keinem Tagtraum war als Erstes die Rückseite zum Vorschein gekommen. Natalie spürte eine leise Irritation.
    Ach was, dachte sie. Jetzt ist Heiligabend, alles läuft gut.
    »Ich weiß noch, wie glücklich ich war, als ich damals das Puppenhaus von meinen Eltern bekam«, flüsterte sie ihrer Schwiegermutter Renate zu, die neben ihr saß.
    » Du bist aber nicht Luisa«, sagte die nur schmallippig. Verwundert schaute Natalie ihre Schwiegermutter an. Jedes Mal war sie wieder erstaunt, wie unterkühlt, wie wenig einfühlsam sie sein konnte - Renate Pilitzsch, die berühmte deutsche Kulturanthropologin und Ethnologin, inzwischen eine Professorin im Ruhestand, die aber weiterhin viel mit ihren Studenten reiste und publizierte. Auch mit 73 Jahren war Renate noch eine schöne Frau. Die dicken grauen Haare hatte sie zu einem Pagenkopf mit Pony schneiden lassen, dazu trug sie eine blaue Brille »aus dänischem Design«, wie sie nicht müde wurde zu betonen, und an beiden Armen alte Silberreifen aus dem Iran. Sogar Heiligabend war Renate leger gekleidet, in schwarze Jeans und ein graues Sweatshirt. Nur das farbenfrohe Tuch aus
Bali, das sie um den Hals geschlungen hatte, wirkte etwas festlicher.
    Natalie dagegen hatte sich an diesem Abend besonders hübsch gemacht: ein schlichtes schwarzes Prada-Kleid - »Was für ein aufregender Ausschnitt!«, hatte Paul gesagt - mit Applikationen am Rand. Dazu hohe, sehr hohe Schuhe. Schuhe, die völliges Nüchternsein voraussetzten. Das würde heute Abend kein Problem sein, Feste bei Renate blieben immer protestantisch nüchtern.
    Vor sechs Jahren hatte Natalie ihren Paul geheiratet, aber das Verhältnis zu Renate war bis heute höflich-distanziert. Dabei tat Natalie eine Menge für ihre Schwiegermutter - heute hatte sie in Renates Haus ganz allein den Baum geschmückt und die kleinen handgemachten Puppen der Quechua aus Peru an die Äste gehängt. Puppe für Puppe, das war wirklich Arbeit gewesen, weil sie sich im Aufbewahrungskarton, der 355 Tage lang im Keller auf das kommende Weihnachtsfest wartete, alle verheddert hatten. Dazu einfache Kugeln in Silber und Rot. Renate - das war so vereinbart - würde direkt vom Flughafen zu ihnen stoßen. Eine Reise nach Usbekistan, sie hatte sich nicht verschieben lassen. Feldforschung. Natalie hatte sich noch gefragt, was die Usbeken wohl für eine Religion hatten: Waren sie Muslime? Orthodoxe? Aber so etwas würde sie ihre Schwiegermutter niemals fragen. Renate erwartete, dass man das wusste.
    Was für eine anstrengende Frau, dachte Natalie plötzlich, als sie ihre Schwiegermutter von der Seite anschaute. Und nie hatte sie Zeit für ihren Sohn Paul gehabt, geschweige denn für ihre Enkeltochter Luisa. Deshalb musste Weihnachten auch jedes Jahr bei ihr gefeiert werden. »Wir
sehen sie ja sonst gar nicht«, argumentierte Paul, der sehr an seiner Mutter hing. Bislang hatte sich Natalie nie widersetzt.
    »Schade, dass meine Eltern dieses Jahr nicht dabei sein können«, sagte Natalie, um sich von ihren Überlegungen abzulenken.
    »Na ja«, meinte Renate abfällig. Sie konnte Natalies Eltern nicht leiden. Aber musste sie das so offen kundtun?
    Luisa war endlich zur Vorderfront des Puppenhauses gelangt und riss jetzt die letzten Fetzen Geschenkpapier ab. Raum für Raum kam zum Vorschein - Kinderzimmer, Elternschlafzimmer, Spielzimmer, die Treppe, und nun Wohnzimmer, Küche, Diele.
    Luisa starrte irritiert auf das Puppenhaus.
    »Oh«, sagte sie. Der Gesichtsausdruck ihrer Tochter war nicht so, wie Natalie ihn sich vorgestellt hatte. Luisa sah nicht sonderlich glücklich aus. Nein, musste Natalie sich eingestehen, sie schien regelrecht unzufrieden.
    »Schau

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