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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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Augen Mary Ann zu. »Ein guter Junge. Er war mein Schüler, müssen Sie wissen. Ein gelehriger Schüler und ein guter Mensch. Und sicher auch ein guter Pfarrer. Denn, wie sagt schon die Bibel, die Seele, die wohltut, wird reichlich gesättigt; wer andere erquickt, wird auch selber erquickt.« Die Gäste hatten diesen frommen Worten erstaunt gelauscht, der Hausherr schien sie gar nicht wahrgenommen zu haben: »Wie geht es meinem Enkel?« wiederholte er.
    Mary Ann besann sich schlagartig des offiziellen Grundes ihres Hierseins: »Es geht ihm sehr gut, Sir. Danke vielmals. Wir kommen eben aus Bath und haben ihn dort getroffen. Als er erfuhr, daß wir in diese Gegend reisen wollen, trug er uns auf, Ihnen die besten Grüße zu bestellen.« Als sie bemerkte, daß ihr der Viscount wohlwollend zunickte, atmete sie tief durch und beschloß, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen: »Und auch für Miss Silvie Westbourne habe ich eine Botschaft«, brachte sie rasch hervor. »Reverend Westbourne meinte, seine Schwester wäre zur Zeit Gast in Ihrem Haus. Hat er sich geirrt, oder erwarten Sie Miss Westbourne in den nächsten Tagen?«
    St. James bemühte sich, in Ruhe die Erbsen weiterzuessen, die ihm rechts und links von der Gabel kullerten. Keinesfalls sollte der Viscountbemerken, wie gespannt er auf seine Antwort war. Silvie Westbourne. Was hatte er in den letzten Wochen nicht alles unternommen, um sie zu finden. Mit Ungeduld wartete er auf eine Antwort. War er nun endlich dem Ziel näher gekommen?
    »Ja, der gute Bernard. Ein guter Bruder. Ein guter Enkel«, meinte der Viscount und lud eine weitere Portion Käse auf seinen Teller.
    Der Geistliche nickte: »Ein guter Mensch«, bestätigte er. Keiner der beiden schien Mary Anns Frage gehört zu haben.
    »Sie erwarten Miss Westbourne in der nächsten Zeit?« wiederholte sie daher noch einmal, und das Herz klopfte ihr bis zum Halse. »Zu Weihnachten vielleicht?«
    »Bernard wird nicht mehr lange in Bath bleiben«, verkündete der Geistliche. »Er soll eine größere Pfarre bekommen. Ich habe mich erst kürzlich mit dem ehrwürdigen Herrn Erzbischof von Canterbury besprochen. Er hat Großes vor mit Master Bernhard. Reverend Bernard«, verbesserte er sich.
    »Wie sieht Bernard aus?« wollte der Viscount wissen. »Grauhaarig geworden in der letzten Zeit?«
    Mary Ann beeilte sich, den Kopf zu schütteln. »Nein, gar nicht, Sir«, sagte sie bestimmt. »In seinen brünetten Haaren ist keine einzige weiße Strähne zu entdecken. Aber schließlich ist er ja erst achtundzwanzig. Ich finde, Mr. Westbourne ist ein sehr gutaussehender junger Mann. Findest du nicht auch, Bruder?«
    Der Earl, der eben sein Glas Limonade an die Lippen geführt hatte, verschluckte sich beinahe. »Gewiß«, brachte er mühsam hervor. Hoffentlich stellte der Hausherr keine weiteren Fragen. Wie sollte Mary Ann Bernard Westbourne beschreiben, wenn sie ihn noch nie in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatte? Ihn gutaussehend zu nennen, das war wohl wirklich übertrieben. Dieser farblose Wicht.
    »Weil Sie eben von Weihnachten sprechen, meine Liebe. Meine Nichte Mrs. Aldwin wird in den nächsten Tagen erwartet«, verkündete der Hausherr. »Mit Mr. Aldwin, ihrem Mann, einem Iren.« Das klang nicht gerade begeistert. »Und ihrer Tochter. Mrs. Aldwin ist die Tochter meiner Schwester Christine«, fügte er erklärend hinzu.
    Der Geistliche seufzte: »Mylady Christine«, murmelte er und schlugmit gefalteten Händen die Augen zur Decke. »Gott sei ihrer Seele gnädig. Alles kehrt zur Erde zurück, was von der Erde ist, und zur, Hölle…«
    »Ja, Mr. Finch, sicherlich«, murmelte der Viscount. Er schien über diesen Einwand nicht sonderlich erfreut. Es schien, als wolle er seinen Begleiter ernsthaft zurechtweisen. Dann überlegte er sich’s jedoch anders und wandte sich mit freudigem Lächeln an Mary Ann: »Da kommt wieder Leben in dieses alte Gemäuer. Ich muß sagen, ich liebe junge Menschen.« Er streckte seine Hand aus, um Mary Anns Unterarm zu tätscheln. »Und darum freue ich mich auch so, daß Sie da sind, liebe Miss Rivingston. Und Sie natürlich auch«, fügte er schnell, an Seine Lordschaft gewandt, hinzu. Dann gab er dem Geistlichen mit dem Kopf ein Zeichen. Der ließ sofort Messer und Gabel sinken, legte seine Serviette auf den Tisch und erhob sich. »Doch nun müßt ihr mich entschuldigen«, meinte der Hausherr zu seinen Gästen. »Ich bin müde und begebe mich zur Ruhe. Ich wünsche eine gute Nacht.«
    Der Earl

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