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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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ebenso gönnerhaft zurück.
    Er blickte auf – direkt in ihre Augen.
    Sie nahm seine Herausforderung an und hielt seinem Blick stand.
    »Revanche«, sagte er schließlich.
    Er drehte das Spielfeld um hundertachtzig Grad. »Diesmal spiele ich mit den weißen Figuren.«
    Bald senkte sich Stille über den Raum. Nur die Uhr über dem Kaminsims tickte laut und vernehmlich. Der Portwein blieb unbeachtet auf dem Beistelltisch stehen. Zu groß war die Aufmerksamkeit, die der Earl auf das Spiel richten mußte. Er war in seiner Jugend ein sehr guter Schachspieler gewesen. Doch in den letzten Jahren war er kaum dazu gekommen, seine Zeit diesem Spiel zu widmen. Mary Ann spielte mit vollem Einsatz. Der Earl sah es und überlegt sich jeden seiner Züge mehrere Male. Er wollte, er durfte sich keine Blöße geben. Und doch, nach einer halben Stunde war es soweit: »Schachmatt«, erklärte MaryAnn triumphierend. St. James suchte nach einem Ausweg. Doch er fand keinen. Sein König war gefangen. »Gratuliere! Du hast großartig gespielt«, erklärte er, und sein Lob klang freimütig und ehrlich. »Wo hast du das gelernt? Wer hat dich gelehrt, so meisterhaft zu spielen?«
    Mary Ann freute sich so sehr über seine Anerkennung, daß sie antwortete, ohne nachzudenken: »Reverend Westbourne.« Ihre Wangen glühten vor Freude.
    Der Earl verzog seine Lippen zu einem müden Lächeln: »Ein unpassender Scherz, möchte ich meinen«, kommentierte er leicht ungehalten.
    »Oh, entschuldige«, beeilte sich Mary Ann zu versichern. »Weißt du, ich möchte einfach nicht über mich sprechen. Wo hast du Schachspielen gelernt?«
    Der Earl lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nippte an seinem Portwein. Er begann von Eton zu erzählen. Von der Zeit, als er mit Freunden im Internat einen Schachclub gegründet hatte. Dieser wurde jedoch bald zugunsten des Fechtclubs sträflich vernachlässigt. Auf der Universität zu Cambridge hatte auch Sport im Vordergrund gestanden. Dort widmete er seine ganzen Energien dem Rudern. Voller Stolz erinnerte er sich daran, wie es ihm gelungen war, die Studenten des Erzrivalen Oxford in die Schranken zu weisen.
    Und so wurde es ein gemütlicher Abend im vollgeräumten Wohnzimmer von Bakerfield-upon-Cliffs. Das Feuer im Kamin brannte langsam herunter, und der Earl stand von Zeit zu Zeit auf, um einige Buchenholzscheite nachzulegen. Mary Ann hatte ihren Kopf auf eine Hand gestützt und hörte mit sichtlichem Interesse seinen Ausführungen zu. Ihre roten Locken glänzten im Feuerschein. Ab und zu stellte sie eine passende Zwischenfrage, oder sie warf einen Einwand ein, um ihn zu necken. Das laute Schlagen der Uhr ließ sie in ihren Gedanken auffahren: »Zehn Uhr!« rief sie überrascht aus. »Wie spät es geworden ist. Es ist mir gar nicht aufgefallen, wie die Stunden verstrichen. Ich denke, wir gehen jetzt besser ins Bett. Morgen machen wir uns mit vereinten Kräften auf die Suche nach Sivlie Westbourne.« Sie erhob sich, und der Earl beeilte sich, es ihr gleichzutun. Ach ja, Silvie, er hatte sie völlig vergessen.
    Mary Ann löschte die Leuchter an den Wänden und auf dem Kamintisch. Dann nahm sie die Zinnkerzenständer, die neben der Türe bereitstanden, zündete die beiden Kerzen an und reichte einen der beiden Leuchter an Seine Lordschaft weiter. Er öffnete die Tür, und sie traten in die kalte Vorhalle hinaus, Ihre Zimmer lagen im Hauptflügel, direkt über dem Eingang.
    »Es würde mich nicht wundern, wenn nur dieser Teil des Hauses bewohnt ist«, meinte St. James, als sie nebeneinander die steile Treppe ins obere Geschoß hinaufstiegen. Nur ihre beiden Kerzen beleuchteten ihren Weg. Sonst lag das Haus in völliger Dunkelheit. Schwere violette Samtvorhänge waren vor die hohen Spitzbogenfenster gezogen worden. Mary Ann erschauderte und nickte: »Ja, vermutlich hast du recht. Im Wohnzimmer war es eben noch so warm und einladend. Ich hatte völlig vergessen, wie kalt und unheimlich es hier draußen ist. Wenn ich nur wüßte, ob Kitty gut untergebracht ist. Vielleicht hat sie Glück gehabt und etwas mehr über Miss Westbourne erfahren als wir.« Sie waren vor ihrer Tür angelangt.
    »Wirwollenes hoffen, Mary Ann.« Erwartete, bis sie ihre Tür geöffnet hatte und sich zu ihm umdrehte, um sich zu verabschieden. »Gute Nacht, Bruder«, sagte sie lächelnd. »Ich hoffe, du hast einen guten Schlaf. Bis morgen.«
    Er beugte sich spontan zu ihr hinunter und küßte sie leicht auf die Wange: »Gute Nacht, Schwester«, sagte er.

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