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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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erhob sich irritiert und wartete, bis der Geistliche den Rollstuhl aus dem Zimmer geschoben hatte. Leise schloß sich die Tür hinter den beiden. Dann nahm er wieder auf seinem Stuhl Platz und schüttelte langsam den Kopf: »Das ist allerdings ein seltsames Benehmen.«
    »Haben Sie bemerkt, daß sowohl der Viscount als auch der Geistliche sich standhaft weigerten, meine Frage nach Lady Silvie zu beantworten?« fragte ihn Mary Ann nachdenklich. »Ich frage mich, ob das etwas zu bedeuten hat.«
    »Sie meinen, daß man uns mißtraut?« Der Earl erwog diesen Gedanken. »Nein, das glaube ich nicht. Dazu spielen Sie Ihre Rolle viel zu gut. Ich muß Ihnen wirklich meine Anerkennung aussprechen. Ich wußte bereits, daß Frauen gut in der Kunst der Verstellung sind, Miss Mary Ann. Aber Sie schlagen alle, die ich bisher kannte.«
    Mary Ann wußte nicht, ob sie sich über dieses Kompliment freuen sollte. »Das gehört zu meiner Aufgabe«, sagte sie kühl. »Und überdies, vergessen Sie nicht, daß wir Geschwister sind, Sir. Wir müssen uns duzen und beim Vornamen ansprechen. Du kannst mich Mary Ann nennen.«
    Der Earl lächelte und prostete ihr mit dem Limonadenglas zu: »Justin«, sagte er höflich. Sie warteten, ob der Geistliche zurückkam, um sein halbfertiges Mahl zu beenden. Doch er erschien nicht mehr. An seiner Stelle betrat der Butler das Zimmer, um eine Flasche Portwein auf das Tischchen vor den Kamin zu stellen. »Ich denke, daß Sie es hier bequemer haben, Sir. Wenn Sie noch etwas benötigen, so möchte ich hëflich darum bitten, daß Sie mir dies gleich mitteilen. Wir sind es nicht gewöhnt, lange aufzubleiben.«
    Der Earl blickte ihn fassungslos an. Wahrhaft seltsame Manieren herrschten in diesem Hause. Ein junger Diener trat ein und räumte das Geschirr auf ein großes Tablett. Der Butler verbeugte sich und verließ hinter seinem Untergebenen den Raum.
    Mary Ann ließ ihrer Heiterkeit freien Lauf: »Sie hätten, ich meine, du hättest dein Gesicht sehen sollen. Ich wette, das ist dir heute das erste Mal passiert, daß dir ein Diener eine Frist für deine Wünsche nannte.«
    »Worauf du wetten kannst, Schwester«, bestätigte der Earl, von ihrem Lachen angesteckt. Sein Blick fiel auf die Uhr über dem Kaminsims: »Es ist nicht zu fassen! Es ist erst sieben Uhr. Und das noch nicht einmal ganz. Was zum Teufel sollen wir mit dem angebrochenen Abend anfangen?«
    »Sie, du meinst, ich soll dich nicht mit dem Portwein alleine lassen?« erkundigte sich Mary Ann schelmisch.
    »Um Himmels willen, nein!« rief der Earl aus. »Komm, wir setzen uns zum Kamin hinüber. Fällt dir etwas ein, womit wir uns die Zeit vertreiben können?«
    Mary Ann hob ihr Glas und nahm es mit zum Kamin, wo sie es auf einem der kleinen Beistelltische abstellte. Dann nahm sie in dem schweren Lehnstuhl Platz, den ihr der Earl zurechtgeschoben hatte. »Hier steht ein Schachspiel.« Sie wies erfreutauf die Figuren, die neben dem Kamin aufgestellt waren. »Wollen wir eine Partie wagen?«
    Er hatte ebenfalls Platz genommen und war nun dabei, die Portweinflasche zu entkorken. »Damen können nicht Schachspielen«, erklärte er unumwunden.
    Mary Ann stieß einen empörten Laut aus. »Frauen aus dem Volke schon«, zischte sie.
    Der Earl hielt in seiner Tätigkeit inne. Zu ihrer Überraschung waren seine Wangen mit leichter Röte überzogen. »Mein unüberlegter Ausspruch beschäftigt dich nachhaltig, nicht wahr? Gestattest du mir, daß ich ihn mit dem Ausdruck des tiefsten Bedauerns zurückziehe?« Er war selbst darüber erstaunt, wie wichtig es ihm plötzlich geworden war, mit seiner falschen Schwester in gutem Einvernehmen zu sein.
    »Ich gestatte«, erlaubte sie gnädig. »Schwarz oder weiß?«
    »Schwarz«, bestimmte er und goß Portwein in das funkelnde Kristallglas. Kennerisch schwenkte er die Flüssigkeit im Glase, bevor er den ersten Schluck auf der Zunge zergehen ließ: »Wahrlich kein schlechter Tropfen.«
    Mary Ann hatte das Spielbrett in die Mitte des Tisches gerückt.
    »Nun denn, Miss, ich meine, Schwester, beweise deine Fähigkeiten.«
    Er nahm das erste Spiel locker, achtete kaum darauf, wohin er seine Figuren stellte, und war nach wenigen Zügen matt.
    »Oh, du spielst besser, als ich dachte«, gab er zu. »Natürlich habe ich es dir leichtgemacht. Ein zweiter Sieg wird dir so schnell nicht wieder gelingen.«
    »Wenn du dich wirklich konzentrierst, dann könnte mit einiger Übung ein recht passabler Schachspieler aus dir werden«, gab sie

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