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Schneekind

Schneekind

Titel: Schneekind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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wir uns im Vestibül und begutachteten den schwarzen Perserteppich: Erbrochenes, ein wenig Blut, dunkle Fußabdrücke. Der säuerliche Gestank war unerträglich.
    „Wir verbrennen ihn“, entschied Sylvia. Ihre Mutter riss die Augen auf.
    „Um Gottes willen“, rief sie. „Mein Hochzeitsteppich!“
    „Das ist psychologisch aber wichtig, Mama“, beharrte Sylvia.
    „Sylvia hat recht“, murmelte Alex. „Wir verbrennen ihn.“
    Mit vereinten Kräften rollten wir den Perser zusammen und trugen ihn hinaus in den Garten. Alex holte eine Schneeschaufel und legte den verschneiten Brunnen frei. Etwa ein Meter unterhalb des Brunnenrands war ein stabiles Gitter angebracht worden. Darauf legten wir den Teppich. Dann gingen wir zurück ins Haus, um uns der weitaus schwierigeren Aufgabe zu widmen: Seit gestern Nacht hatte niemand mehr das Wohnzimmer betreten.
    Es war dunkel. Alex drückte einen Schalter und die Rollläden fuhren automatisch nach oben. Die Sonne fiel herein, und alle starrten auf die Stelle, wo Friedrich zusammengebrochen war. Ich hatte ein blutgetränktes Szenario erwartet, doch in Wirklichkeit war ein Luftröhrenschnitt weit weniger blutig als in meiner Phantasie. Wenn man genau hinsah, machte es lediglich den Eindruck, als hätte jemand Nasenbluten gehabt. Auf dem Tisch standen immer noch die halbvollen Champagnergläser. Unter dem Kamin lagen Glasscherben. Unheimlich waren eigentlich nur die Geschenke, die immer noch darauf warteten, ausgepackt zu werden.
    Während Alex die Scherben, Gläser und Flaschen einsammelte, rückten Sylvia und ich die Möbel zur Seite. Dann rollten wir auch den weißen Perserteppich zusammen und trugen ihn hinaus zu seinem schwarzen Gegenstück. Christa protestierte nicht; es schien ihr einzuleuchten, dass beide Teppiche zusammen verbrannt werden mussten. Als wir zurück ins Haus kamen, hörte ich Alex im oberen Bad fluchen. Ich zog mir die dreckigen Stiefel aus und sah nach. Alex hatte alle Champagnergläser in der Badewanne zertrümmert. Eine gallertartige Masse verteilte sich über den Scherben. Ich vernahm den ätzenden Geruch, noch bevor ich die orangefarbene Flasche mit dem Abflussreinigungsgel bemerkte.
    „Scheiße“, sagte Alex und leckte sich den Daumen. Der Schnitt war nicht besonders tief, aber ich spürte, dass Alex zitterte. Ich half ihm mit dem Pflaster, nahm die Handbrause und ließ Wasser über den Scherben-Brei laufen, bis sich das ätzende Gel im Ausguss verflüchtigte. Dann sammelte ich die Scherben in einem Eimer auf.
    „Kommt ihr?“, rief Sylvia von unten. Als wir in den Garten traten, verteilte sie eine Flasche Brandbeschleuniger über den Teppichen. Dann hielt sie inne und sagte: „Das stärkste Symbol für Transformation ist das Feuer. Denkt an die schrecklichen Bilder, wenn ihr in das Feuer seht.“
    Wir starrten in die Flammen, bis das Feuer erlosch.
    Eine Stunde später saßen wir geduscht und erschöpft im grünen Salon, als es klingelte. Der Mann an der Sprechanlage stellte sich als „Kriminalpolizei Sigmaringen“ vor.
    Alex empfing ihn an der Haustür. Wir lauschten angespannt.
    „Entschuldigen Sie die Störung“, hörten wir eine raue, männliche Stimme. „Mein Name ist Gerd Engler, Kriminalpolizei Sigmaringen. Mein aufrichtiges Beileid.“
    Wenig später öffnete sich die Tür. Ich sah einen Mann, dessen Mund von zwei steilen Falten flankiert wurde wie ein Gefangener von zwei Polizisten. Mit dem Kommissar wehte der säuerliche Geruch vom Vestibül herein.
    „Gerd Engler“, stellte er sich abermals vor. Ein kalter Stratege, dachte ich zuerst. Doch dann begann der Kommissar zu sprechen, leise, umständlich, eine komplizierte Mischung aus Hochdeutsch und schwäbischem Dialekt. Dann bemerkte ich, dass er seine Schuhe ausgezogen hatte, eine Socke war sorgfältig gestopft. Er sah mich verlegen an, während er mir die Hand gab. Er verbeugte sich umständlich vor Christa, als wäre sie eine Gräfin. Er verschüttete das Glas Wasser, das Sylvia ihm anbot. Kurz und gut: Er benahm sich wie ein Trottel. Alex entspannte sich.
    „Christa“, räusperte sich Gerd Engler. „Du kannst dir wirklich meines tief empfundenen Beileids versichert sein.“
    Christa nickte; man kannte sich aus dem Tennis Club, erfuhr ich später.
    „Gibt es bereits irgendwelche Erkenntnisse?“ Alex konnte seine Ungeduld nicht verbergen.
    „Entschuldigen Sie, natürlich“, sagte er und fingerte ein Smartphone aus der Innentasche seines karierten Jacketts hervor. Auf der

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