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Schneekind

Schneekind

Titel: Schneekind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Nowak
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Bank vor dem Jugendstilkamin saßen zwei Porzellanpuppen und tranken Tee; tags zuvor hatten sie noch in der Küche gesessen.
    „Ich bekam heute Morgen einen Anruf von Frau Dr. Riedmüller vom Kreiskrankenhaus Sigmaringen“, hörte ich Kommissar Engler wieder.
    Riedmüller? Das musste die kleine Frau mit den schwarzen Augen sein.
    „Die Blutanalyse ergab, wie soll ich es sagen, nun ja, gewisse Auffälligkeiten.“
    Engler nahm einen Schluck Wasser. Wir hingen an seinen Lippen.
    „Ich persönlich halte das Ganze für eine bürokratische Blase“, nickte er Christa verbindlich zu. „Doktor Riedmüller ist eine gute Ärztin, ohne Zweifel, zudem sehr motiviert, ich kenne sie schon seit Jahren, aber wie soll ich sagen, in diesem Fall mag sie wohl etwas über das Ziel hinaus ... geschossen sein ... eine Lawine kommt ins Rollen ... Vorschriften, Vorsichtmaßnamen, Routine, wie das eben so ist.“
    Er sah uns der Reihe nach an. „Alles reine Routine.“
    „Sie tun ja auch nur Ihre Pflicht“, versicherte Sylvia und schlug ihre Beine übereinander. „Was für Auffälligkeiten? Sprechen Sie nur frei heraus, wir sind alle Mediziner.“
    „Ja natürlich, das ist es ja. Sie werden das viel besser verstehen als ich, denn Frau Riedmüller erwähnte etwas von einem handelsüblichen Schnelltest, es tut mir leid, ich habe den Namen vergessen, aber dieser Test hat ergeben, dass etwas mit den roten Blutkörperchen nicht stimmt, also mit dem Eisen, soweit ich das verstanden habe.“
    „Sie meinen den Hämoglobin-Wert?“
    „Genau, Hämoglobin, das war es.“ Er nahm noch einen Schluck Wasser. „Diese Teile – oder wie nennt man das richtig? – spielen ja eine immens wichtige Funktion für den Menschen. Aber irgendein Stoff hat das alles blockiert“, er räusperte sich, „sodass Friedrich, ich meine, Ihr Vater, erstickt ist.“
    „Was für ein Stoff?“
    Er breitete entschuldigend die Arme aus. „Das muss das Labor in Tübingen herausfinden. Frau Riedmüller meinte nur, Schwermetalle sicher ausschließen zu können, sie tippt auf irgendein pflanzliches Gift.“
    „Gift?“ Christa schüttelte entgeistert den Kopf. „Aber wie ist so etwas nur möglich?“
    Engler sah ihr fest in die Augen: „Das versuche ich herauszufinden, Christa.“
    Kommissar Engler hatte sich fluchtartig verabschiedet, nachdem Christa Schüttelfrost bekommen hatte. Verwirrt blieben wir im grünen Salon zurück. Niemand wollte sich unterhalten und keiner wollte alleine sein. Christa lag mit einer Decke auf der Chaiselongue und hielt die Augen geschlossen; sie schien jetzt zu schlafen. Sylvia saß regungslos in dem roten Barocksessel; sie starrte auf den Kamin. Alex saß bei mir auf dem Sofa und massierte meine Füße; ab und zu ließ ich meinen Blick über die anderen gleiten. Dann fielen auch mir die Augen zu.
    Last Christmas I gave you my heart, but the very next day you gave it away ...
    Ungläubig öffnete ich die Augen, als könnte ich dann besser hören.
    This year, to save me from tears, I'll give it to someone special, special ...
    Sylvia stand an der Anlage und blätterte durch einen Stapel mit CDs, als suchte sie ein bestimmtes Lied. Verwundert zog ich meinen Fuß aus Alex Griff und stand auf. Ich hatte weder Krämpfe noch Herzrasen oder Panik.
    Sylvia legte eine andere CD ein. Leichte Jazzmusik erfüllte den Salon.
    Ich trat ans Fenster und sah in den Garten. Fußspuren, Schleifspuren und dunkle Flecken hatten die weiße Schneedecke in ein Schlachtfeld verwandelt. Ich hob meinen Blick in den wolkenlos blauen Himmel, sah die Sonne und hoffte, dass es vorbei war. Eine Träne lief mir die Wange herab. Von einem Baum rieselte feiner Schnee, als hätte eine unsichtbare Hand daran gerührt. Ich begann zu schluchzen, erst leise, dann immer lauter, bis ich Alex warme Gestalt hinter mir spürte. Er legte beide Arme um mich. Stumm wiegten wir uns hin und her.
    „Es tut mir so leid“, hörte ich seine Stimme. Sie klang anders als sonst, nicht mehr so sicher, beinahe heiser: „Ich befürchte, in Zukunft müssen wir an Weihnachten auf die Bahamas fliegen.“
    „Ich liebe dich, Alex“, sagte ich und dachte an die vergangene Nacht. Gegen 1 Uhr waren wir ins Bett gegangen, doch keiner von uns hatte Schlaf gefunden. Wach waren wir nebeneinandergelegen, bis Alex damit angefangen hatte. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Das hatte nichts mehr mit dem Alex zu tun gehabt, den ich kannte. Ohne mich zu küssen oder zu streicheln war er in mich eingedrungen;

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