Schneeköniginnen
wird sich finden. Ich komme
ja wieder, ich muß mich doch ab und zu um meinen Sender kümmern.«
»Meinst du, er wartet bis dahin auf
dich?« So eine Überfrau war sie schließlich auch wieder nicht, was glaubte sie
denn?
»Nein, natürlich nicht. Wenn er’s doch
tut, ist es mir recht, wenn nicht, geht die Welt auch nicht unter.«
»Bravo«, grinste Katie, »du hast was
gelernt von mir. Das ist die richtige Einstellung. Trotzdem schade, daß du die
Flatter machst. Weißt du, so im großen und ganzen bist du ziemlich in Ordnung.«
Sie schwiegen eine Weile, ein
wohliges, einvernehmliches Schweigen, das eintritt, wenn alles gesagt ist.
Dann beugte sich Katie weit über die
Reling. »Weißt du, was ich im Moment am liebsten wäre?«
»Was?«
»Ein Fisch. Stell dir vor, wie die
heute alle high sein werden!«
»Katie?«
»Was noch?«
»Was mich schon lange interessiert...«
»Meine Haarfarbe ist echt.«
»Das weiß ich. Nein, ich frage mich,
wieso du eigentlich seinerzeit zu mir ins Plaza gekommen bist. Und komm mir
jetzt nicht wieder mit dieser Teresa-Story!«
Katie zuckte die Achseln. »Ach, bloß so.
Als ich dich zufällig über die Kreuzung stolpern und da reingehen sah, wußte
ich, daß du mich im Flugzeug angeschwindelt hast. Schuhverkäuferin besucht
Verlobten, von wegen! Und Lügen machen mich immer neugierig.«
»Nur deshalb?«
Katie grinste verlegen. »Außerdem
wollte ich schon immer mal das Plaza von innen sehen.«
»Da kann jeder Tourist rein«,
erwiderte Anne.
»Schon. Also gut. Ehrlich gesagt, im
geheimen habe ich gehofft, daß du mich dort auf einen Drink in die Bar
einlädst, oder sogar zum Essen, und ich dann für eine Weile so tun kann, als ob
ich dazugehörte.«
»Dazu?«
»Ja, zu den Reichen. Warum willst du
das wissen? Ist das wichtig?«
»Nein«, lächelte Anne, »überhaupt
nicht. Das mit dem Essen können wir nachholen, wenn du willst.«
»Geschenkt«, sagte Katie.
Da Lis aufgrund der jüngsten
Party-Erfahrungen die Nase gestrichen voll hatte — die Urmutter war inzwischen
durch einen Apachen-Marterpfahl ersetzt worden — wurde die Abschiedsparty
kurzerhand in eine Kneipentour umorganisiert. Sie nahm ein paar Straßen weiter,
bei Veselka, mit einem säuerlichen Borschtsch als deftige Grundlage für diverse
Genußmittel ihren Anfang, führte, über einige Abstecher in diverse Soho-Bars,
bis in einen morbiden Upper East Side Club namens »Live Psychic« und fand ihr
spätes Ende mitten in Katies altem Wohnviertel, in einem Club an der AveB, der
sich »Save the Robots« nannte. In einem klaustrophobisch verwinkelten Labyrinth
tummelten sich schrillbunte Transvestiten und fahlhäutige Gestalten, die in ekstatischen
Verrenkungen gegen den dämmernden Tag antanzten. Von ihren Gesichtern blätterte
das Make-up ebenso wie die Farbe von den Wänden.
Stefan erlebte letzteres nicht mehr.
Ihn mußte man nach dem Besuch im Live Psychic vollgedröhnt zu Hause abliefern,
wo er den Borschtsch wieder von sich gab. Auch Teresa ging an diesem magischen
Ort verloren, sie angelte sich einen Typen, dessen Karma mit ihrem in
kosmischem Gleichklang schwang. Anne strandete irgendwann in Gordons
Wasserbett, nur Katie saß noch mit Lis und ihrem Body-Designer bis zum
Sonnenaufgang in der Küche und debattierte mit ihnen über den Sinn des Daseins
und ähnlichen Stuß. Paul sah aus wie ein Waldschrat, weil er sich gerade einen
Vollbart wachsen ließ.
Es war schon beinahe Mittag, als
Katie, Anne und Gordon das Haus verließen und den Hinterhof überquerten, um
sich mit Stefan zu einem allerletzten, gemeinsamen Brunch zu treffen.
Eine trübe Wolkendecke schirmte die
grellsten Sonnenstrahlen gnädig ab, doch Anne und Gordon blinzelten immer noch
etwas brummschädelig ins Tageslicht. Deshalb fiel ihnen auch der Wagen, der die
schmale Einfahrt blockierte, nicht auf. Sie reagierten auch nicht, als sich ein
dickes, schwarzes Rohr durch das offene Fenster schob, und es dreimal »Flop«
machte, wie beim dezenten Entkorken einer Sektflasche. Woher sollten sie auch
wissen, wie sich ein Schalldämpfer anhört? Sie bemerkten das Auto erst, als es
kreischend an-fuhr und davonjagte. Als sie sich nach Katie umsahen, lag sie
zusammengekrümmt neben der Feuertreppe und rührte sich nicht mehr.
Nachspiel
Der Pfarrer sprach so bewegt, daß es
Anne erneut die Tränen in die Augen trieb. Auch Lis kämpfte sichtlich mit ihrer
Rührung, sie sah hinreißend aus in ihrem nachtschwarzen Umhang und
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