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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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dem
Schleierhütchen. Teresa stand säulengleich mit versteinerter Miene, Gordon
hatte den Kopf gesenkt. Ein paar Leute, die Anne nicht kannte, verfolgten die
Predigt mit ernstem Gesicht.
    »Ewig schade, daß sie das nicht hört«,
wisperte Anne Stefan zu.
    »Jaja«, seufzte der, »wenn du gelobt
werden willst, mußt du sterben.«
    Etwas abseits lungerten zwei schräge
Typen herum und verfolgten die Prozedur mit kaltem Interesse.
    »Wie die Aasgeier«, empörte sich Anne.
    »Schau einfach nicht hin«, murmelte
Stefan.
    Anne konzentrierte sich wieder auf die
Geschehnisse am Grab. Eben sprach der Priester seinen Segen, der Sarg wurde
hinabgelassen. Sie traten der Reihe nach vor und warfen eine Schaufel voll Erde
und Blumen auf den Holzsarg, es gab jedesmal ein grausig dumpfes Geräusch. Anne
lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Eine Windbö fegte über den
Friedhof, dürre Blätter tanzten ihren Hexentanz, es wurde Herbst.
    Sie gaben der Dame neben dem Grab kurz
die Hand, sie drückte sie stumm, ihre Augen blickten tränennaß und
schmerzerfüllt ins Leere.
    »Die Mutter«, flüsterte Lis.
    Es wurden noch die bei solchen
Anlässen üblichen Worte des schwachen Trostes gewechselt, dann entfernte sich
die kleine Trauergemeinde und ließ den Totengräber seine Arbeit beenden.
    Anne hakte sich bei Stefan unter, sie
schritten langsam die endlosen Gräberreihen ab, Anne wischte sich verstohlen
die Augen.
    »Du kannst jetzt aufhören zu heulen«,
sagte Stefan.
    »Sei nicht so roh! Es war so
schrecklich traurig.«
    Sie verließen den Friedhof und winkten
sich ein Taxi heran. Anne nannte dem Fahrer die Adresse, und sie hielten wenig
später vor einem riesigen Betonklotz. Sie nahmen den Lift, und Anne wollte eben
an der Tür zu Nummer 1502 anklopfen, als diese von innen geöffnet wurde und
eine junge, reichlich aufgetakelte Frau mit einer Tasche herauskam.
    Anne sprach sie an. »Miss Chaikowski?
Ich bin Anne Schwartz, wir haben telefoniert. Ist alles glatt verlaufen?«
    »Selbstverständlich. Jetzt sieht sie
einfach umwerfend aus, wie jeder, den ich in die Finger kriege. Übrigens...«
Miss Chaikowski nahm Stefan ins Visier, »...ich behandle auch Herren.«
    »Wieviel bekommen Sie?« unterbrach
Anne unwirsch.
    »Also, in Anbetracht der Umstände...
achtzig Dollar.«
    »Hier sind Hundert. Ich kann mich
hoffentlich auf Ihre absolute Diskretion verlassen.«
    »Selbstverständlich, da können Sie
ganz beruhigt sein.« Miss Chaikowski barg den Schein in den Abgründen ihres
Ausschnitts, winkte und schob ihren Apfelhintern gekonnt den Gang entlang.
    »Das war ein teurer Haarschnitt.
Dasselbe mußte ich den Schwestern in die Kaffeekasse legen. Ein Krankenhaus ist
nun mal kein Frisier... Stefan! Du riskierst eine Zerrung der Halsmuskulatur.«
Anne rempelte ihn schroff an, und sie betraten zusammen das Zimmer 1502.
    Der Anblick war tatsächlich umwerfend.
Katies rechter Arm ruhte in einer Gipsschale, es sah aus, als wollte sie gerade
zum Hitlergruß ansetzen. Ihr Kopf glich auf der einen Seite einem Huhn unterm
Schwanz, die andere Hälfte der sogenannten Frisur fiel ihr rastamäßig übers
Gesicht. Die ganze Pracht schimmerte in einem Farbton, der an rohe Rinderleber
erinnerte, darunter mischten sich ein paar bunte Strähnchen.
    »Grauenhaft«, rief Anne entsetzt.
    »Genau«, jammerte Katie, »Mein schönes
rotes Haar, mein irisches Erbe... und jetzt das!«
    »Die Farbe geht«, widersprach Anne, »aber
der Schnitt!«
    »Es ist... ungewohnt — aber hübsch«,
schlichtete Stefan diplomatisch. Katie dankte ihm lächelnd und setzte sich mit
einem Ruck auf, wobei sie gequält das Gesicht verzog.
    »Tut’s weh?« fragte Stefan mitfühlend.
    »Nur wenn ich lache. Der Arzt sagt,
fortan wird eine Narbe meinen Allerwertesten verunzieren, ansonsten flicken sie
mich so gut es geht wieder zusammen. Möglich, daß die Schulter was abgekriegt
hat, aber ich will ja kein Tenniscrack werden. Wahrscheinlich darf ich nächste
Woche raus.«
    »Wir kommen gerade von deiner
Beerdigung«, berichtete Stefan, »du hättest hören sollen, wie sie dich gelobt
haben...«
    »Wirklich? Wer?« fragte Katie
begierig.
    »Der arbeitslose Schauspieler, den sie
als Pfarrer verkleidet haben, darauf muß man nichts geben«, sagte Anne.
    »Und es war alles echt?« fragte Katie
ungläubig. »Mit Sarg und Blumen und so?«
    »Sicher. Da war sogar eine
Schauspielerin, die deine Mutter gespielt hat...«
    »Wie bitte?« Katie fuhr hoch und fiel
gleich darauf jaulend in

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