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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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ein
Billardspiel.
     
     
    Annes Hirn schwamm auch um die
Mittagszeit noch im Tequila, wie eine Olive. Nur diesem Umstand war es zu
verdanken, daß sie, durch Katies Anruf brutal aus einem nebelhaften Traum
gerissen, nach einigem Hm und Her auf den Vorschlag einging, den Katie ihr
wortreich schmackhaft machte.
    Nach der kräftezehrenden Tätigkeit des
Duschens, Anziehens und Kofferpackens fand sie sich eine Stunde später an der
Hotelrezeption wieder, wo Katie an einer Säule lehnte und sich soeben einen
ihrer Hacken abstreifte, um mit dem nackten Fuß den Marmorboden zu betasten.
    »Babyarschglatt«, verkündete sie.
Ansonsten fand sie den ganzen Laden reichlich überladen: funkelnde
Kristallüster, goldener Schnickschnack überall, Marmor an Decken und Wänden,
und zu allem Überfluß auch noch dunkelrote Teppiche mit aufdringlichen Mustern.
Hielten die reichen Amerikaner das für Europäische Eleganz?
    Katie sorgte ihrerseits für dezentes
Aufsehen unter Gästen und Personal. Sie war für die Tageszeit unpassend
geschminkt, trug wieder diese verbeulte Lederjacke, und obwohl kein anstößiges
Stückchen Haut sichtbar war, wirkte Katie irgendwie nuttig. Womöglich lag es an
der Haltung, dieser aggressiv zur Schau gestellten Lässigkeit, mit der sie
dastand und Kaugummi in ihrem Mund herumschob. Hinter ihren mokanten Blicken,
mit denen sie die feine Gesellschaft um sich herum musterte, versteckte sich
ein kindlicher Trotz, und Anne hatte den Verdacht, daß sie sich eigentlich
unwohl fühlte.
    Anne unterschrieb willenlos alle
Rechnungen, die man vor ihr ausbreitete, immerhin besaß sie soviel
Geistesgegenwart, um nach ihrem Kostümrock zu fragen, der sich aber noch immer
in der Reinigung befand. Also hinterließ Katie ihre neue Adresse, und Anne bat
die freundliche Dame, mit einem Zehndollarschein als Gedächtnisstütze, ihr das
Kleidungsstück doch nachzusenden.
    Draußen stach ihr die klare
Spätsommersonne schmerzhaft in die Augen, so daß sie auf dem kurzen Weg vom
Eingang zum Taxi mit einem ihrer cremefarbenen Wildlederpumps in einen
Pferdeapfel trat.
    »Das fängt ja gut an. Verdammte
Kutschen! Blöde Viecher! In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?« zeterte
sie entnervt. Erstaunlicherweise schien Katie die Exzesse des Abends spielend
zu verkraften. Es ist wohl das Alter, dachte Anne, sie ist doch einiges jünger
als ich, bei mir zeigen sich schon präsenile Abnutzungserscheinungen.
    Als sie durch’s East Village fuhren,
ging es Anne schon besser. Sie besah sich kritisch die wechselhafte Szenerie
und war sich absolut sicher, mit ihrem Umzug einen schweren Fehler begangen zu
haben. Aus ihrer Studentenzeit kannte sie einige dieser Lotter-WG’s. Sicher
würde man sie in irgendeinem Kabuff mit einem Armeeschlafsack auf einer
Isomatte schlafen lassen, und womöglich gab es dort allerlei Ungeziefer,
Asseln, Kakerlaken, wenn nicht sogar noch größere Haustiere...
    »Wir sind da.« Katie belud sich wie
ein Kuli mit Annes Gepäck und lästerte: »Es wäre mal interessant zu ergründen,
ob König Ludwig der Sechzehnte bei seinem jährlichen Umzug ins Sommerschloß
mehr mitzunehmen pflegte als du.«
    Anne überhörte das, sie betrachtete
naserümpfend das bröckelnde Mauerwerk der Brownstone-Fabrikhalle und sah ihre
schwärzesten Befürchtungen bestätigt. Widerwillig schleppte sie sich die zwei
Treppen hoch. An der Tür verkündete ein Messingschild:
     
    »Psycho«
    Teresa Kokoszka-Weissagungen,
Lebensberatung
     
    Kein Hinweis auf diese Lis. Aber
Promis hatten es bekanntlich nicht nötig, ihre Namen in dicken Lettern an die
Tür zu schreiben. Es öffnete ihnen Bonnie mit ihrem stets leicht
sauertöpfischen Gesichtsausdruck. Sie bat den neuen Gast nach sorgfältiger
Begutachtung herein. Anne ließ ihre Tasche fallen, und sah sich mit wachsendem
Staunen um.
     
     
    Nach dreistündigem Schönheitsschlaf
machte sich Anne auf die Suche nach menschlichen Lebewesen. Sie huschte durch
ein wahres Labyrinth aus Treppen, Podesten, Säulen und Emporen, wobei sie fast
bis zum Hals in einem weichen Berberteppich versank. Lis mußte sämtliche
Kunstgalerien der Nachbarschaft leergekauft haben. In wilder Anordnung
bevölkerten Bilder und Plastiken dieses weitläufige Wunder der Innenarchitektur.
Großflächige Wandteppiche mit Ethno-Mustern bedeckten die Brownstone-Wände,
dazwischen standen und baumelten die garantiert irrsten Lampen, die in New York
aufzutreiben waren. Nichts erinnerte mehr daran, daß in diesem Gebäude

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