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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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einmal
Seife produziert worden war.
    »Bist du das erste Mal in den
Staaten?« fragte Lis, als Anne endlich die geräumige Küche, mit dem
obligatorischen Kühlschrank von der Größe einer Telefonzelle, entdeckt hatte, in
der die anderen um einen runden Tisch saßen. Darauf lagen Bagels in einer
aufgerissenen Papiertüte.
    »Ja.«
    »Und? Reicht’s dir noch nicht?«
    »Nein, es ist sehr... interessant«,
antwortete Anne artig.
    »Das kann nur sagen, wer hier nicht
leben muß«, gab Lis sofort zurück. »Es ist stinkig und heiß im Sommer, eiskalt
im Winter, die Straßen sind in schlimmerem Zustand als im afrikanischen Busch,
die U-Bahn ist sowieso das allerletzte, und als Frau kann man sich nachts kaum
auf die Straße wagen, außerdem ist hier alles sündteuer und die Leute sind alle
plemplem. Die einfachsten Dinge des Lebens sind hier ein Desaster. Du mußt nur
mal versuchen, einen Klempner zu kriegen, eine Katastrophe! Aber lange spiele
ich da nicht mehr mit. So bald es geht, verschwinde ich, an die Westküste oder
sonstwohin, darauf könnt ihr euch verlassen, mir reicht’s!«
    Anne guckte betroffen von einem zum
anderen.
    »Red keinen Stuß.« Das war Teresa. Sie
war mollig und von sehr dunkler Hautfarbe. Ihre beinahe kreisrunden Augen
drehten sich gequält in Richtung Decke, dabei schüttelte sie die Perlen in
ihrer Rasta-Frisur. Unzählige Armreifen, Amulette und Ohrgehänge im
Kronleuchterformat ließen sie bei jeder Bewegung klimpern wie einen
Glockenbaum. Zu Anne gewandt erklärte sie: »Jeder New Yorker schimpft über
seine Stadt. Alle sind sie gerade dabei, für immer wegzugehen. Und wenn du sie
nach einer Weile anschaust... alle noch da. Keiner geht, sie bleiben und
schimpfen weiter. Weil sie nirgends anders leben können.«
    »Aha«, lächelte Anne. Diese Teresa
schien ganz nett zu sein, mal abgesehen von ihrer bizarren Aufmachung.
    »Aber mach nie den Fehler, als
Nicht-New Yorker genauso über New York herzuziehen wie sie. Das vertragen sie
nämlich nicht.«
    »Danke für den Tip.« Anne schielte
hungrig nach der Tüte.
    »Auch ‘n Bagel?« Katie schob ihr eines
hin. »Schon mal probiert?«
    Anne verneinte.
    »Hier, die sind mit Frischkäse. Es
gibt die Dinger in allen Variationen.«
    Anne biß vorsichtig in den gefüllten
Teigkringel. »Sehr gut«, lobte sie mit vollen Backen.
    »Weißt du«, nahm Teresa den Faden
wieder auf, »wie man einen New Yorker dazu kriegt, eine leidenschaftliche
Lobeshymne auf seine Stadt anzustimmen?«
    »Nein«, sagte Anne entgegenkommend.
    »Du mußt bloß was Nettes über Chicago
sagen.«
    »Pah, Chicago«, ging ihr Lis auf den
Leim, »lauter Provinzler! Aber wenn man, wie Teresa, aus Detroit stammt, dann
ist natürlich jeder verdammte Platz auf der Welt ein echter Glücksfall. Stimmt
doch, Gordon?«
    Der Angesprochene, er war der einzige
Mann am Tisch und momentan der einzige in diesem Haushalt, ein Typ mit kantigem
Gesicht, reichlich zu großen Ohren und zurückgekämmten braunen Haaren, die in
ein schütteres Zöpfchen mündeten, legte die Village Voice aus der Hand. »Hm?
Wie bitte?«
    »Ach, penn weiter.«
    Anstatt der Aufforderung nachzukommen,
griff er sich drei Zitronen aus der Obstschale, sie sah verdächtig nach
Töpfer-Workshop aus, und begann mit ihnen zu jonglieren. Rechts herum, links
herum, und in scheinbarem Durcheinander. Dann kam ein Apfel dazu, von dem er
hin und wieder abbiß, während die Zitronen weiter wie Planeten auf ihrer
Umlaufbahn um seinen Kopf kreisten. Anne war er als Gordon Pettengill
vorgestellt worden. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er, indem er auf
Neureichenpartys und Kindergeburtstagen den Magier beziehungsweise den
Zauberclown spielte. Zu seinem Repertoire gehörte neben dem Jonglieren mit
vier, an guten Tagen mit fünf Bällen, Keulen oder anderen Gegenständen, die
Kunst des Einradfahrens, ein paar schauerliche Fakirtricks und natürlich
Feuerspucken und — schlucken. Außerdem moderierte er Musiksendungen bei einem
lokalen Mittelwellensender, der ihm zur Hälfte gehörte und der kurz vor der
Pleite stand. Gordon träumte davon, den Sender eines Tages ganz zu übernehmen
und das Programm endlich nach seinem ureigenen Geschmack zu gestalten, aber bis
dahin mußte er wohl noch etliche Generationen weißer Mäuse verschwinden lassen
und ganze Hochhausbrände in sich hineinfressen. Wenn Gordon Pettengill auftrat,
so tat er dies unter dem wesentlich magischer klingenden Namen »Nino
Giammarco«. Die Menschheit fordert es manchmal

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