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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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zu
ignorieren. Aber das war schwierig. Alles im Lokal drehte sich nur noch um sie.
Auch der Barkeeper, dieser Kretin, überschlug sich beinahe vor Jovialität.
Keiner achtete mehr auf sie, Li Fleury. Dieses Geflüster, dieses Geglotze!
Widerlich, wie sie sich darin aalte. Und dieses ausgeschnittene Kleid, in ihrem
Alter. Billig, einfach billig! Jetzt erhob sich die Diva, tänzelte und
schwänzelte, das durfte doch nicht wahr sein, direkt auf ihre Gruppe zu. Katie
hielt die Luft an, Teresa grinste. Lis’ Puls beschleunigte wie ein Rennwagen.
Offenbar kannten sich Sandra und Paul, woher, das war nicht schwer zu erraten.
Fieberhaft begann Lis, an einer abgrundbösen Bemerkung zu feilen, andererseits,
wer im Glashaus sitzt...
    Schließlich entschloß sie sich, den
Stier, vielmehr diese Krekel-Kuh, bei den Hörnern zu packen. Sie würde Sandra
ganz herzlich begrüßen, quasi von Kollegin zu Kollegin, genau. Sie hatte es
doch gar nicht nötig, neidisch zu sein. Sandra und Paul tauschten jetzt die
üblichen Oberflächlichkeiten. Sandra beachtete Lis nicht im mindesten, ob
absichtlich oder nicht, das ließ sich schwer sagen. Lis dagegen winkte ihr
charmant zu und flötete: »Hallo Sandra. Wie schön, dich mal außerhalb der
Arbeit zu treffen.«
    Sandra musterte Lis für die Dauer eines
Wimpernschlages, als wäre sie ein besonders ekelerregendes Insekt. »Paul«,
sagte sie dann, mit dem falschesten Lächeln der Welt, »willst du mir deine
Begleiterin nicht vorstellen? Ich habe sie wirklich noch nie gesehen.«
    Lis fühlte sich wie von einem Baseballschläger
getroffen. Sie kochte. Paul war jetzt wirklich nicht zu beneiden. Neben ihm
seine junge Freundin, die nun ganz sicher so eine Art Heldentat von ihm
erwartete, vor ihm Sandra Krekel. Der Star. Die prominente, zahlende
Dauerklientin.
    Es folgte ein zäher Moment allgemeiner
Verlegenheit. Da sah Anne ihre Chance gekommen: Mitten in das zusehends
peinlicher werdende Schweigen hinein zwitscherte sie: »Was denn, Sie sind Sandra Krekel? Wissen Sie, ich gehöre schon sooo lange zu Ihren
Bewunderern, sogar schon als Kind habe ich Sie im Kino gesehen. Mein Gott, das
muß jetzt schon ewig her sein.« Sie hielt sich grübelnd den Finger an
die Lippen, während Sandras Lächeln versteinerte, und setzte noch einen drauf:
»Wie hieß doch der Film... irgendwas mit >Leidenschaft und Tod<, oder so
ähnlich. Sagen Sie, war der überhaupt schon in Farbe?«
    Nach diesem Abend hätte Lisbeth
Ziegenbalg für Anne Schwartz die rechte Brust geopfert.
    »Was liegt denn heute abend so an?«
Gordon musterte seine Zauberlehrlinge mit gönnerhafter Miene.
    »Nichts Besonderes«, knödelte Anne, es
klang, als hätte sie ihre Socken im Mund.
    »Also ich muß heute nochmals dringend
ins Crazy Cactus, wegen meinem Bruder«, verkündete Katie. »Der Wirt hat endlich
den Typen aufgegabelt, der Jeffs genaue Adresse weiß, hoffe ich wenigstens. Es
sieht nämlich ganz danach aus, als sei er umgezogen, nach L. A.«
    Die anderen beiden schwiegen dazu.
Anne, weil sie das Lokal sowieso nicht kannte, Gordon, weil er es kannte.
    »Und«, fuhr Katie mit einem
spitzbübischen Zwinkern in Richtung Gordon fort, »da du und Anne euch, wie ich
bemerkt zu haben glaube, ganz gut vertragt, überlasse ich sie deiner
fürsorglichen Obhut.«
    »Red nicht so geschraubt daher.
Außerdem brauche ich keinen Aufpasser«, knurrte Anne. Insgeheim war sie jedoch
gar nicht so abgeneigt. Dieser Gordon hofierte sie wie ein Gentleman alter
Schule, sei es aus einer Laune, oder waren dies die Reste seiner
WASP-Erziehung, egal, es half Anne, von Tag zu Tag eine Prise weniger an Stefan
zu denken. Er hatte sich stundenlang durch das Metropolitan Museum of Modern
Art schleppen lassen, ebenso stand er klaglos die unvermeidliche Bootsfahrt
rund um Manhattan durch. Daneben zeigte er ihr noch einiges mehr von seiner
Stadt.
    Zuerst hatte Anne befürchtet, sich
dadurch mit Teresa anzulegen, aber Teresa behielt ihre burschikose
Freundlichkeit unbeirrt bei, falls sie nicht im geheimen irgendeinen
Voodoo-Zauber laufen hatte. Lis war Anne seit der Sandra-Krekel-Affäre auf
Gedeih und Verderb zugetan, Bonnie war grundsätzlich zu jedem unfreundlich, und
so fand »Anne aus Germany« rasch Aufnahme in dieser Clique. Ihre Herkunft
schien dabei niemanden groß zu interessieren. Ganz anders als zu Hause, wo man
ihr, der Tochter des großen alten Eduard Schwartz, stets und überall mit
ausgesuchter Liebenswürdigkeit begegnete, wodurch echte Freunde nur sehr

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