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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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man
schließlich sehen, wo man bleibt.«
    Sie hatten ausgetrunken. Gordon nahm
Annes Hand und sah ihr eine Spur zu lange in die Augen. Dann sagte er
watteweich: »Komm, laß uns gehen.«
    Wenn Gordon es drauf anlegte, und in
diesem Moment legte er es sogar sehr drauf an, konnte einem seine Stimme kleine
Elektroschocks den Rücken hinunterjagen.
    Anne erwiderte den Druck seiner Hand.
     
     
    Im schalen Morgengrauen schleppte sich
Katie die Stufen hoch. Sie hatte Jeffs Adresse bekommen, er war tatsächlich in
Kalifornien, und hundert Dollar beim Billard gewonnen. Ansonsten war der Abend
nicht so ganz wunschgemäß verlaufen. Sie brühte sich einen extrastarken Kaffee
auf, rauchte zwei Zigaretten und dachte angestrengt nach, während sie die
aufgeplatzte Stelle über dem linken Auge mit ein paar Eiswürfeln kühlte. Es
schien dringend angeraten, aus New York zu verschwinden, und zwar sofort. Was
lag näher, als jetzt gleich nach L. A. zu fahren?
    Apropos fahren. Sie sah auf die Uhr.
Halb sechs. Dieses Problem erledigte man wohl am besten sofort, so lange es auf
den Straßen noch einigermaßen ruhig war. Sie stürzte ihren Kaffee hinunter und
tapste leise aus dem Haus, während alle noch schliefen.
     
     
    Katie hatte sich getäuscht, es
schliefen nicht alle. Anne beispielsweise war wach. Aber sie hörte Katie weder
kommen noch gehen, weil sie gerade mit Gordon bumste, als ob es einen Rekord zu
brechen gälte.
    Es hatte sich einfach so ergeben.
Gordon war überaus sympathisch und nicht langweilig. Was soll’s, sagte sich
Anne mit einem Anflug von Fatalismus, was will man heutzutage mehr von einem
Mann? Der gemeinsame Abend war in gelöster Atmosphäre verlaufen, und als Finale
glitten sie, händchenhaltend wie Teenager, im Taxi durch das morgengraue
Manhattan — das hatte schon was. Dazu kam der noch immer ganz leise nagende
Frust über Stefan, möglicherweise übernahmen ein paar aufgestaute Hormone die
Rolle des Katalysators, jedenfalls führte das alles dazu, daß Gordon nun sein
knallblaues Wunder erlebte. Er war von seiner Gelegenheitsaffäre mit Teresa
durchaus einiges gewohnt, aber die hier, die schien ihn glatt umbringen zu
wollen.
     
     
    Es dauerte keine halbe Stunde, da kam
Katie wieder zurückgeschlichen. Sie ging daran, Lis einen erklärenden Zettel zu
schreiben und ihre Sachen zu packen. Als sie beinahe fertig war, zuckte sie
zusammen. In der Tür stand regungslos die exakte Kopie einer antiken Statue.
    »Verdammt, kannst du nicht anklopfen?«
    »Was tust du da?« erkundigte sich Anne
lauernd.
    »Ich packe.« Katie stopfte weiter
Sachen in ihre Tasche.
    »Das sehe ich. Und wieso?«
    »Weil ich jetzt nach L. A., zu meinem
Bruder, fahre.«
    »Ein bißchen plötzlich, findest du nicht?
Du hast ja gar nicht geschlafen.« Sie wies auf das unbenutzte Bett.
    »Macht nichts.« Sie führt sich auf,
als sei sie mein Bewährungshelfer, dachte Katie, und drehte sich wütend um.
    »Katie! Was ist mit deinem Auge
passiert?«
    »Bin in ‘ne Schlägerei geraten.« Das
entsprach zumindest ansatzweise den Tatsachen.
    »Das ist doch kein Grund,
klammheimlich zu verschwinden, oder?«
    Katie stemmte die Arme in die Seiten
und blickte Anne aus ihrem unversehrten Auge wild entschlossen an, was
einigermaßen grotesk aussah. »Frag nicht so viel. Ich kann dir nicht alles
erklären. Tatsache ist, daß ich sofort aus New York raus muß. Und da ich jetzt
Jeffs Adresse in L. A. habe...«
    »Und wie willst du da hinkommen?«
    »Mit ‘nem Auto.«
    »Was für ein Auto?«
    »Na, ein Auto eben. Von einem Freund
geliehen.« Sie zog den Reißverschluß ihrer Sporttasche mit einem energischen
Ruck zu.
    »Wolltest du etwa gehen, ohne irgend
jemandem Bescheid zu sagen, ohne dich von uns zu verabschieden?« Anne baute
sich in voller Größe im Türrahmen auf, die leibhaftige Inquisition.
    Katie stutzte einen Moment, notierte
im Geiste Annes absonderliches Outfit, das aus einem lässig um sich drapierten
Bettlaken bestand, und gab einen Schuß ins Blaue ab: »Du warst ja nicht
ansprechbar.«
    Befriedigt sah sie, daß Anne postwendend
rot anlief, wie ein Stichling. »Und was ist mit Lis? So einen Abgang hat sie
nicht verdient.«
    Als hätte sie nur auf ihr Stichwort
gewartet, tauchte Lis gähnend und augenreibend neben Anne auf. »Was ist denn
los? Könnt ihr euer Spektakel nicht um eine zivilere Uhrzeit veranstalten?«
    »Katie will abreisen«, erklärte Anne.
    Es folgte ein ähnliches Palaver wie
vorhin, was zur Folge hatte, daß Teresa,

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