Schneeköniginnen

der
Ausfahrt. Die Luft tanzte über dem Asphalt. Anne litt stumm.
    »Hier«, Katie reichte ihr eine
Bierdose, »ist die letzte.«
    »Soll das heißen, du hast während der
Fahrt fünf Bier getrunken?«
    »Wenn du es nicht warst...« Katie
hielt den Daumen über die Fahrbahn. »Arschloch!« Sie reckte ihren Mittelfinger
in Richtung eines vorbeirauschenden Wagens.
    Ein chromblitzender alter T-Bird
hielt, der Fahrer, ein junger Kerl mit schwarzer Sonnenbrille, drehte die
Scheibe herunter.
    »Na, ihr zwei Mäuschen, wohin mit
euch?« Sein strähnig gegeltes Haar hätte mal wieder einen Ölwechsel vertragen.
    »Washington«, rief Katie und hob
freudig ihre Tasche auf.
    »Ist genau unsere Richtung«, grinste
der Typ.
    »Aber nicht unsere!« hörte Katie
jemanden sagen und fühlte einen Schraubstock am Arm.
    »Laß mich los«, fauchte sie, »die wollen
uns mitnehmen.«
    »Mit denen? Das kommt überhaupt nicht
in Frage.«
    »He, was ist jetzt?« rief der
Pomadenheini ungeduldig.
    »Nein, wir fahren nicht mit«, sagte
Anne mit absoluter Bestimmtheit. Der Typ murmelte etwas, was sicher keine Schmeichelei
war, und trat aufs Gas.
    »Sag mal, spinnst du total?« schrie
Katie wütend. »Was soll denn das? Willst du hier vertrocknen, wie eine Mumie?«
    »Wir fahren nicht bei zwei Männern
mit. Höchstens bei einem.«
    »Das ist doch lächerlich.«
    »Ist es nicht. Außerdem sahen die so
finster aus. Wie... wie Mafiakiller!«
    »Mafiakiller«, höhnte Katie. Was wußte
die schon von Mafiakillern! »Quatsch! Die sahen ganz normal aus. Verdammt, was
für eine Scheiße! Sollen wir hier auf den Nikolaus warten?« Anne antwortete
nicht, und auch Katie schwieg verstockt.
    Die Minuten schlichen dahin. Sehr
belebt war dieser Parkplatz nicht.
    »Mensch, ist mir heiß.« Anne wischte
sich über die Stirn. Autos zischten vorüber, die Sonne weichte den Teer auf.
    »Wir könnten schon in Baltimore sein«,
maulte Katie.
    »Wir könnten schon ermordet in einem
Wäldchen liegen.«
    Endlich hielt ein nagelneuer, roter
Cadillac mit getönten Scheiben. Es saß nur ein einzelner Fahrer darin.
    »Den nehmen wir«, zischte Katie, das
Gesicht zur Faust geballt, »du sollst ihn ja nicht heiraten, nur ein Stück mit
ihm fahren.«
    Der Typ ließ die Scheibe herab. »Kann
ich euch helfen?«
    »Der sieht okay aus«, flüsterte Anne.
Er hätte ein jüngerer Collegeprofessor oder ein Regierungsbeamter in
Freizeitkleidung sein können, fand sie.
    »Was für ein Glück«, seufzte Katie.
Ihr war so heiß, sie wäre auch bei Jack the Ripper eingestiegen.
    »Nach Washington?«
    »Nach Atlanta, wenn ihr wollt. Steigt
ein.«
    Anne kletterte nach hinten, Katie
pflanzte sich frech neben den Fahrer. »Echt cool, die Karre.«
    »Finde ich auch.« Besitzerstolz
schwang in seiner Stimme. »Übrigens, ich bin Pete.«
    »Katie. Das ist Anne.«
    »Hallo.« Schon waren sie wieder
unterwegs.
    »Wie schnell läuft die Kiste?« fragte
Katie fachmännisch.
    »Schnell genug.«
    »Willst du’s nicht mal ausprobieren?«
Immerhin hatten sie schon eine Menge Zeit auf diesem öden Parkplatz vertrödelt.
    Pete schüttelte den Kopf. »Noch nie
was vom Tempolimit gehört?«
    »Oh, Mann...«, knurrte Katie, während
sich Anne heimlich zu diesem vernünftigen Fahrer beglückwünschte. Sie war bald
wieder am Eindösen, so eine Nacht hinterließ ihre Spuren, sie war immerhin
keine zwanzig mehr.
    Katie ließ die gigantischen
Reklameschilder neben dem Highway wie einen Film an sich vorbeiziehen und versuchte,
sich ein Drehbuch dazu auszudenken. Der Film beschleunigte, wurde schneller,
immer schneller, das war schon eher der Bildsuchlauf. Sie hörte den Motor
aufheulen und der Wagen vibrierte. Offensichtlich wollte ihr Musterfahrer nun
doch wissen, was Sache war. Meinetwegen, ihr konnte das nur recht sein.
    Pete überholte eine Kolonne und klebte
einem alten Chevy so lange am Heck, bis dieser freiwillig die Spur räumte.
Jetzt rappelte sich die verschlafene Anne hinten im Wagen auf und bekam große
Augen. Katie erkundigte sich der Form halber: »He, Pete, wieso haben wir’s denn
so eilig?«
    »Weil da hinten die Bullen sind.«
    Pete sagte die Wahrheit, ein
Polizeiauto folgte ihnen. Gerade schalteten sich die Sirene und das Blaulicht
ein. Anne klammerte sich an den vorderen Sitz, denn eben überholte dieser
Wahnsinnige einen sturen Vordermann auf dem Grünstreifen.
    »Mann, was soll das?« raunzte Katie,
»willst du uns unbedingt die Bullen auf den Hals hetzen?« Pete zog den
schlingernden Wagen