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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Katie
verhielt sich ungewöhnlich ruhig.
    »Im Plaza war die Aussicht etwas
besser«, versuchte es Anne. Katie lächelte schwach. »Willst du oben oder unten
liegen?«
    »Ist mir egal.«
    »Was ist los mit dir?«
    »Nichts.«
    »Morgen wird sich alles aufklären«,
tröstete Anne zuversichtlich, und erklomm das obere Bett. »Daß ich mal eine
Nacht im Gefängnis zubringen werde, das hätte ich mir niemals träumen lassen.«
    »Tut mir leid, es ist alles meine
Schuld.« Katie wirkte zerknirscht, nein, nicht nur das, geradezu am Boden
zerstört, ihr Humor und ihre Kaltschnäuzigkeit waren völlig verschwunden.
    »Nein«, widersprach Anne, »es ist
nicht deine Schuld. Wären wir mit den ersten beiden mitgefahren...«
    »Wären wir jetzt schon verstümmelte
Leichen.« Na endlich, wieder die alte Katie. »Anne, es ist besser, wenn du
morgen wieder zurückfährst, nach New York.«
    »Wieso?«
    »Ich bringe dich bloß in
Schwierigkeiten.«
    »Das ist Unsinn. Was soll uns denn
noch Schlimmeres passieren als dieses Abendessen hier? Morgen reden wir
vernünftig mit diesem Sheriff, dann fahren wir mit dem Bus nach Washington und
dort mieten wir uns ein Auto, okay?«
    »Okay«, antwortete Katie und
versuchte, daran zu glauben.
    Es herrschte eine Weile Stille. Sie
hatten sich hingelegt. Vor dem Fenster rauschte ab und zu leise ein Wagen
vorbei. Grillen begannen zu zirpen. In der Nachbarzelle schnarchte der
Betrunkene, den sie vor einer Stunde den Gang entlang geschleift hatten. Katie
hätte gute Gründe gehabt, wütend auf Anne zu sein. Ohne deren Zickigkeit läge
sie jetzt garantiert nicht hier. Andererseits — ohne Anne lagerte sie jetzt mit
ziemlicher Sicherheit im Kühlfach des Gerichtsmedizinischen Instituts, mit
einem Zettel um den großen Zeh, wie ein Schweinekotelett aus dem Sonderangebot.
Doch wenn sie an morgen dachte, fühlte sie sich hundeelend, wie vor einer
Hinrichtung. Dem Anlaß entsprechend überkam sie das Bedürfnis, zu beichten.
    »Anne?« fragte sie in die Dunkelheit.
»Bist du wach?«
    »Ja. Was ist?«
    »Ich hab dich angelogen, wegen dem
Typen am Flughafen.«
    »Das dachte ich mir schon.«
    »So? Na, dann sind wir ja quitt.«
    »Wieso quitt?«
    »Ich sage nur: Schuhverkäuferin.«
    »Ach das. Das zählt doch nicht.«
    »Du machst wohl nie einen Fehler, hm?«
    »Doch, schon... Aber ich lüge
eigentlich selten. Willst du es mir nicht erzählen?«
    »Was?«
    »Von dem Kerl am Flughafen.«
    »Ist ‘ne längere Geschichte.«
    »Macht nichts. Ich habe gerade etwas
Zeit.« Anne hörte Katie leise lachen, dann, als könnte sie es keine Sekunde
länger bei sich behalten, fing sie an: »Damals, als mein Vater verunglückt ist,
da mußte ich zurück nach Fürstenfeldbruck, zu meiner Mutter. Ich wollte das
nicht, aber mir blieb keine Wahl, höchstens ein Heim, weil ich erst siebzehn
war. Meine Mutter und ich, wir haben uns noch nie sonderlich gut vertragen. Sie
hatte inzwischen wieder geheiratet. Einen Versicherungsagenten. Es dauerte
keine drei Monate, da bin ich von dort abgehauen, weil... na ja, ich konnte es
in ihrem Kleinbürgermief einfach nicht aushalten. Am liebsten wollte ich sofort
wieder nach New York zurück, aber dazu brauchte ich erst mal Geld. Es war nicht
einfach, einen Job zu finden. Ich habe keinen gültigen Schulabschluß, mir fehlt
noch ein halbes Jahr auf der Highschool. Ich jobbte so herum, mal hier, mal da.
Dann lernte ich Manne kennen, mein früherer Freund.«
    »Der, der jetzt auch im Gefängnis
sitzt?« unterbrach Anne.
    »Hab’ ich dir davon erzählt?«
    »Ja, im Flugzeug.«
    »Genau der. Er war ganz okay, aber er
lebte auch nur von Gelegenheitsjobs. Wir nahmen uns eine Bude, am Ostbahnhof,
zwei Zimmer, Außentoilette.«
    »Außentoilette? Wo außen?«
    »Na, im Hausflur, was dachtest du
denn?«
    »Im Hof.«
    »Oh, Mann! Also, wir wurstelten uns so
durch. Eines Tages tauchte Rudi auf, der Kerl vom Flughafen. Er verschaffte
Manne diverse Jobs, und es ging uns auf einmal viel besser, finanziell. Rudi
ist ein Loddel, aber daneben ist er Dealer. Ziemlich dick im Geschäft. Er
benutzte Manne als Laufburschen. Aber plötzlich, warum weiß ich nicht,
vielleicht wollte Manne aussteigen oder mehr Geld, ließ Rudi ihn bei einem Deal
ins offene Messer der Bullen laufen. Dummerweise war’s ‘ne größere Ladung Koks.
Das passierte vor ungefähr vier Monaten. Manne wurde eingeknastet. Da dachte
Rudi wohl, er könnte mich seiner Häschenriege einverleiben. Aber ich gehe doch
nicht für so einen Typen

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