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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Richtige
Gefängniszellen.
    »Vorwärts, wenn ich bitten darf! Der
Sheriff wird euch zu gegebener Zeit rufen lassen.«
    »Ich möchte sofort mit ihm sprechen.«
Anne bemühte sich um einen höflichen, bestimmten Ton, was ihr aber erstens
nicht ganz gelang und zweitens niemanden juckte.
    »Er ist gar nicht da«, bekam sie zur
Antwort. Katie sagte nichts mehr. Immerhin nahm man ihnen die Handschellen
wieder ab.
    Dann waren sie allein. Anne schloß die
Augen. Eine penetrante Geruchsmischung aus Fusel, Angstschweiß und Bohnerwachs
kroch ihr in die Nase und setzte sich dort fest. Sekundenlang glaubte sie an
einen bösen Traum, der bestimmt vorbei sein würde, wenn es ihr nur endlich
gelänge, aufzuwachen.
    Katies Gedanken kreisten nur um einen
Gegenstand. Ihre Tasche. Wenn die Polizei auf die Idee käme, da hineinzusehen,
dann stünde Pete mit seiner geklauten Karre vergleichsweise so rein und
unschuldig wie ein Osterlämmchen da. Ihr Fall dürfte die Sensation des
Jahrhunderts auf dieser Provinzstation werden.
    Zehn Jahre, dachte Katie, zehn Jahre
kriege ich dafür, mindestens. Dann bin ich zweiunddreißig. Bei guter Führung
vielleicht dreißig. Ein ausgemergeltes Wrack, das Leben so gut wie vorbei...
    Anscheinend verhörten sie diesen Pete zuerst,
denn es vergingen, eine, zwei, drei Stunden und nichts geschah. Wortkarg saßen
sie nebeneinander auf einer Pritsche aus Draht, ohne Matratzen, über ihnen eine
weitere, und starrten auf die bekritzelten Wände. Hoch über ihren Köpfen drang
ein schmaler Streifen Sonnenlicht durch ein flaches Fenster, so flach, daß
nicht einmal ein Kind hindurchschlüpfen konnte, aber das hätte ihm auch nichts
genützt, denn die staubigen Sonnenstrahlen warfen ein unverkennbares
Gittermuster an die schmutziggelbe Decke.
    Endlich betrat der junge Polizist, er
hieß Donnell, den Gang, und reichte ihnen zwei Kaffeebecher durch die
Gitterstäbe.
    »Was meinen Sie, Sir, wann können wir
mit unserer Vernehmung rechnen?« Anne versuchte es mit ihrem zuckersüßesten
Lächeln.
    »Wenn ihr Glück habt, heute abend
noch.« Donnell lächelte zurück und entblößte dabei ein Paar schaufelartig
schrägstehende Vorderzähne, die an den Kuhfänger einer Union Pacific Lokomotive
erinnerten.
    »Wie bitte?!« brauste Anne auf, »hören
Sie, ich bin Touristin, aus Deutschland, das können Sie mit mir nicht machen.
Und mit meiner... mit ihr auch nicht. Ich werde mich beim Konsulat beschweren.«
    Falls diese Worte Donnell irgendwie
beeindruckten, so konnte er das prima verbergen. »Euer Freund wird jetzt zuerst
vernommen. Ist ein harter Brocken.«
    »Er ist nicht unser Freund. Wir kennen
ihn doch gar nicht! Was hat er überhaupt ausgefressen?«
    »Mehrere Autodiebstähle, räuberischer
Überfall auf zwei Supermärkte und eine Bankfiliale in Philadelphia. Möglich,
daß noch einiges dazukommt. Vielleicht fällt den Ladies ja noch etwas dazu
ein.« Er grinste jovial, und Anne wünschte ihn und sein Gebiß zum Teufel.
    »Wirklich, wir sind doch nur mit ihm
mitgefahren. Unser Wagen... äh, hatte eine Panne. Warum nehmen Sie uns nicht zuerst
dran? Dann wird sich alles aufklären.«
    »Wir werden sehen.« Sprach’s und
verschwand.
    Sie hatten kein Glück. Das wurde
spätestens klar, als ihnen von der Tippse Bettzeug und ein Abendessen in einer
Aluschale gebracht wurde. Unter Flüchen und Verwünschungen breiteten sie die
papierdünnen Matratzen aus und drapierten die geflickten Laken darüber.
Zumindest schien das Leinenzeug frisch gewaschen zu sein. Es müffelte nach
Kernseife. Nicht so die Wolldecke. Sie stank nach altem Fußschweiß und
vergleichbaren Körpersekreten unzähliger Delinquenten vor ihnen. Nur wenig
anders roch ihr Abendessen, eine Art Eintopf, ganz in NATO-Oliv gehalten, die
Zutaten hatten sich dem Tarnlook angepaßt, sie waren bis zur Unkenntlichkeit
verkocht.
    Der Sheriff sei bereits nach Hause
gegangen, sagte man ihnen, aber sie beide werden gleich morgen früh an der
Reihe sein. Sie käuten gerade so viel von der zähen Masse, um ihre knurrenden
Mägen einigermaßen zu beschwichtigen, danach wurden sie von Judy, wie sich die
Sekretärin vorstellte, einzeln zur Toilette begleitet, womit der Höhepunkt des
Abends gelaufen war. Schweigend sahen sie zu, wie der Lichtfleck an der Decke
immer mehr verblaßte und der Dunkelheit Platz machte. Nur den Flur erhellte
eine schwache Birne.
    Anne schwankte von einer Minute zur
anderen zwischen schäumender Wut, stumpfer Resignation und Galgenhumor.

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